31.03.2025 - Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer
Zachary Gallant:
Wir schreiben dieses Buch, während wir sehen, wie Freund:innen und politische
Führungspersönlichkeiten, die wir sehr respektieren, jüdische Menschen
auffordern, »zurück nach Polen zu gehen«. Auch Personen im Umkreis politischer
Hoffnungsträger:innen wie der US-Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez
scheuen nicht davor zurück, Israel als »rassistischen europäischen Ethnostaat,
der auf dem von seiner indigenen Bevölkerung gestohlenen Land errichtet wurde«,
zu bezeichnen. Wir schreiben dieses Buch, weil wir hören, wie Greta Thunberg und
andere Klimaaktivist:innen, mit denen Zachary als Leiter einer deutschlandweiten
Klimagerechtigkeits-NGO in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden in
Verbindung stand, bei Klimademonstrationen »From the River to the Sea, Palestine
Will Be Free« ... skandieren, und weil wir den fast irreparablen Schaden sehen,
den dieser Konflikt für jeglichen Versuch bedeutet, uns gemeinsam für eine
Verbesserung unserer Welt einzusetzen. Israel/Palästina ist die sinnbildliche
Hochspannungsleitung: Wer sie berührt, den trifft der (tödliche) Schlag. Doch
wenn wir sehen, wie die Welt um uns herum in Flammen aufgeht, wenn wir sehen,
wie Freund:innen, Kolleg:innen und Angehörige nicht länger miteinander reden,
sie nicht die richtigen Worte finden, um ein Aufeinanderzugehen zu ermöglichen,
müssen wir mutig sein und zumindest versuchen, die trennenden Abgründe zu
überbrücken. Wir schreiben dieses Buch, weil wir immer noch daran glauben, dass
ein konstruktives Gespräch auf der Grundlage von Fakten möglich ist, wenn es uns
gelingt, die belastete Rhetorik, die polemischen Tweets und 10-Wort-Antworten
hinter uns zu lassen. In diesem zugegebenermaßen kurzen Buch untersuchen wir
die wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie die Propaganda von
Staaten, in denen einst jüdische Menschen lebten, als Hintergrundinformation zur
Frage, warum es heute Israel überhaupt gibt. Dies geschieht nicht, um die
Handlungen des israelischen Staates zu rechtfertigen, sondern um
sicherzustellen, dass wir den heutigen Konflikt überhaupt in seiner Komplexität
begreifen können. Nichts steht für sich allein. Uns auf diese Weise Israel zu
widmen, wird eine unbequeme Reise sein, und die aufgedeckten Wahrheiten werden
niemanden von Schuld freisprechen, noch werden sie eine Lösung für den aktuellen
Konflikt bieten. Alles, was wir bieten, ist ein Einblick in die
zugrundeliegenden, allzu oft vergessenen Umstände des Konflikts, sofern sich
diese überhaupt entschlüsseln lassen. Durch diesen Einblick hoffen wir, den
emotional geladenen, oftmals rassistischen und kurzsichtigen Debatten über
Israel/Palästina ein gewisses Maß an Demut zu verleihen, vielleicht dadurch
sogar das nächste »Überkochen« des Konflikt zu vermeiden, oder zumindest mit
einem kritischen Blick unsere eigenen Privilegien zu hinterfragen, wenn wir über
Israel/Palästina sprechen. Unsere bisherige Arbeit über Deutschland folgte
dem Grundsatz, die Geldflüsse nachzuvollziehen, um so zu aufschlussreichen
Erkenntnissen hinsichtlich der wahren handlungsleitenden Akteur:innen,
Interessen und Mechanismen zu gelangen. Dieser Grundsatz führte zur
Veröffentlichung von Entnazifiziert euch! und brachte uns beim Schreiben jenes
Buches mit Themenfeldern in Verbindung, die uns zum Verfassen des hier
vorliegenden Buches inspirierten. In Israel und Palästina sind die Spuren des
Geldes so komplex, dass sie fast nicht zu entziffern sind, aber wenn wir weit
genug aus dem Lokalgeschehen herauszoomen, können wir einige sehr schwache
Spuren entdecken, die helfen, alle anderen in einen Zusammenhang zu bringen. In
der Tat war es unsere Absicht und bleibt unsere Hoffnung, die Verfolgung dieser
Spuren eines Tages zu einem viel größeren Projekt zu machen. Vor dem 7.
Oktober 2023 hatten wir arabisch- und hebräischsprachige Forscher:innen
rekrutiert in der Hoffnung, eine längerfristige, ausgewogene und gründlich
recherchierte Studie über die Kapitalströme zur Zeit der ethnischen Säuberung
der jüdischen Bevölkerung aus dem Nahen Osten und der palästinensischen
Bevölkerung im Kontext der Nakba zu publizieren. Ursprünglich hielten wir dieses
Projekt für notwendig, weil es ein gemeinsames Schicksal und eine gemeinsame
Tragödie von jüdischen und palästinensischen Menschen aufzeigen würde, insofern
als beide Gruppen um ihr Überleben kämpfen mussten und nur aufgrund der
wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen zahlreicher regionaler und
globaler Mächte zu Todfeinden wurden. Doch seit kurzem ist klar, dass diese
Studie notwendig ist, um das globale Narrativ zu korrigieren, denn die Art und
Weise, in der über Israel und jüdische Menschen gesprochen wird, ist zutiefst
problematisch angesichts der ihr innewohnenden rassistischen und
kolonialistischen Ideologien. Diese menschenverachtenden Perspektiven finden wir
sowohl bei Personen, die sich selbst als »antikolonialistisch« und
»antirassistisch« bezeichnen, als auch seitens derer, die den Zionismus als
Bollwerk »westlicher Werte« im »Kampf der Kulturen« betrachten. In Anbetracht
der gegenwärtigen Situation haben wir unsere ursprünglichen Gedankengänge, die
den Rahmen für diese größere Studie gebildet hätten, erheblich gekürzt, um hier
nur die wichtigsten Informationen zu liefern, die für die Kontextualisierung von
Israel/Palästina und für das Verständnis Israels als Teil der umgebenden Region
verfügbar sind. Bei unserem ursprünglichen Projekt hatten wir geplant, die
generationenübergreifende Geschichte mehrerer moderner israelischer Familien,
jede aus einem anderen Land, auf dem Weg von ihrer Heimat bei ihren arabischen,
türkischen oder persischen Nachbar:innen bis zu ihrem heutigen Leben in Israel
nachzuzeichnen. Doch wird dieses Ansinnen auf eine ruhigere Zeit warten müssen.
Diejenigen Israelis, die sich zunächst bereit erklärt hatten, an diesem Projekt
mitzuwirken, fehlt es seit dem 7. Oktober an Zeit und Nerven für ein Unterfangen
dieser Größenordnung ... Wir hoffen, dass unsere ursprünglich geplante,
umfassendere Studie eines Tages stattfinden wird und dass darin Geschichten
[jüdischer Menschen aus dem Nahen Osten] neben den Geschichten palästinensischer
Familien, die in der Nakba gelitten und deren Fluchtweg in der entgegengesetzten
Richtung verlaufen sind, einen Platz haben werden. Für den Moment muss es jedoch
genügen, dass wir Dutzende solcher Geschichten von palästinensischen Familien
vor und nach der Nakba gelesen und dass uns palästinensische Menschen in
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten ähnliche
Geschichten erzählt haben, dass wir gemeinsam mit ihnen das Brot gebrochen und
unsere Feiertage mit ihnen geteilt haben und dass wir bis heute in Solidarität
mit ihnen stehen und hoffen, dass sie die deutsche oder eine andere vollwertige,
ihnen Sicherheit gebende Staatsbürgerschaft und die Chance auf einen Neuanfang
erhalten werden. Doch von den jüdischen Menschen, die aus dem Nahen Osten
fliehen mussten, hören wir so gut wie nichts. Während wir auf den ruhigeren Tag
warten, an dem wir diesen, trotz aller Individualität, parallelen Geschichten
nachgehen können, ist es zwingend erforderlich, dass wir die grundlegenden
Fakten der ethnischen Säuberung der jüdischen Menschen aus dem Nahen Osten
darlegen und den Konflikt in Israel/Palästina in einen breiteren Kontext
stellen. Lasst uns also die wichtigsten Mythen, die in den Debatten über
Israel/Palästina auftauchen, als das entlarven, was sie wirklich sind.
Autoren von "Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer"
31.03.2025 - Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer
Wir schreiben dieses Buch, während wir sehen, wie Freund:innen und politische Führungspersönlichkeiten, die wir sehr respektieren, jüdische Menschen auffordern, »zurück nach Polen zu gehen«. Auch Personen im Umkreis politischer Hoffnungsträger:innen wie der US-Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez scheuen nicht davor zurück, Israel als »rassistischen europäischen Ethnostaat, der auf dem von seiner indigenen Bevölkerung gestohlenen Land errichtet wurde«, zu bezeichnen. Wir schreiben dieses Buch, weil wir hören, wie Greta Thunberg und andere Klimaaktivist:innen, mit denen Zachary als Leiter einer deutschlandweiten Klimagerechtigkeits-NGO in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden in Verbindung stand, bei Klimademonstrationen »From the River to the Sea, Palestine Will Be Free« ... skandieren, und weil wir den fast irreparablen Schaden sehen, den dieser Konflikt für jeglichen Versuch bedeutet, uns gemeinsam für eine Verbesserung unserer Welt einzusetzen.
Israel/Palästina ist die sinnbildliche Hochspannungsleitung: Wer sie berührt, den trifft der (tödliche) Schlag. Doch wenn wir sehen, wie die Welt um uns herum in Flammen aufgeht, wenn wir sehen, wie Freund:innen, Kolleg:innen und Angehörige nicht länger miteinander reden, sie nicht die richtigen Worte finden, um ein Aufeinanderzugehen zu ermöglichen, müssen wir mutig sein und zumindest versuchen, die trennenden Abgründe zu überbrücken. Wir schreiben dieses Buch, weil wir immer noch daran glauben, dass ein konstruktives Gespräch auf der Grundlage von Fakten möglich ist, wenn es uns gelingt, die belastete Rhetorik, die polemischen Tweets und 10-Wort-Antworten hinter uns zu lassen.
In diesem zugegebenermaßen kurzen Buch untersuchen wir die wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie die Propaganda von Staaten, in denen einst jüdische Menschen lebten, als Hintergrundinformation zur Frage, warum es heute Israel überhaupt gibt. Dies geschieht nicht, um die Handlungen des israelischen Staates zu rechtfertigen, sondern um sicherzustellen, dass wir den heutigen Konflikt überhaupt in seiner Komplexität begreifen können. Nichts steht für sich allein.
Uns auf diese Weise Israel zu widmen, wird eine unbequeme Reise sein, und die aufgedeckten Wahrheiten werden niemanden von Schuld freisprechen, noch werden sie eine Lösung für den aktuellen Konflikt bieten. Alles, was wir bieten, ist ein Einblick in die zugrundeliegenden, allzu oft vergessenen Umstände des Konflikts, sofern sich diese überhaupt entschlüsseln lassen. Durch diesen Einblick hoffen wir, den emotional geladenen, oftmals rassistischen und kurzsichtigen Debatten über Israel/Palästina ein gewisses Maß an Demut zu verleihen, vielleicht dadurch sogar das nächste »Überkochen« des Konflikt zu vermeiden, oder zumindest mit einem kritischen Blick unsere eigenen Privilegien zu hinterfragen, wenn wir über Israel/Palästina sprechen.
Unsere bisherige Arbeit über Deutschland folgte dem Grundsatz, die Geldflüsse nachzuvollziehen, um so zu aufschlussreichen Erkenntnissen hinsichtlich der wahren handlungsleitenden Akteur:innen, Interessen und Mechanismen zu gelangen. Dieser Grundsatz führte zur Veröffentlichung von Entnazifiziert euch! und brachte uns beim Schreiben jenes Buches mit Themenfeldern in Verbindung, die uns zum Verfassen des hier vorliegenden Buches inspirierten. In Israel und Palästina sind die Spuren des Geldes so komplex, dass sie fast nicht zu entziffern sind, aber wenn wir weit genug aus dem Lokalgeschehen herauszoomen, können wir einige sehr schwache Spuren entdecken, die helfen, alle anderen in einen Zusammenhang zu bringen. In der Tat war es unsere Absicht und bleibt unsere Hoffnung, die Verfolgung dieser Spuren eines Tages zu einem viel größeren Projekt zu machen.
Vor dem 7. Oktober 2023 hatten wir arabisch- und hebräischsprachige Forscher:innen rekrutiert in der Hoffnung, eine längerfristige, ausgewogene und gründlich recherchierte Studie über die Kapitalströme zur Zeit der ethnischen Säuberung der jüdischen Bevölkerung aus dem Nahen Osten und der palästinensischen Bevölkerung im Kontext der Nakba zu publizieren. Ursprünglich hielten wir dieses Projekt für notwendig, weil es ein gemeinsames Schicksal und eine gemeinsame Tragödie von jüdischen und palästinensischen Menschen aufzeigen würde, insofern als beide Gruppen um ihr Überleben kämpfen mussten und nur aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen zahlreicher regionaler und globaler Mächte zu Todfeinden wurden. Doch seit kurzem ist klar, dass diese Studie notwendig ist, um das globale Narrativ zu korrigieren, denn die Art und Weise, in der über Israel und jüdische Menschen gesprochen wird, ist zutiefst problematisch angesichts der ihr innewohnenden rassistischen und kolonialistischen Ideologien. Diese menschenverachtenden Perspektiven finden wir sowohl bei Personen, die sich selbst als »antikolonialistisch« und »antirassistisch« bezeichnen, als auch seitens derer, die den Zionismus als Bollwerk »westlicher Werte« im »Kampf der Kulturen« betrachten. In Anbetracht der gegenwärtigen Situation haben wir unsere ursprünglichen Gedankengänge, die den Rahmen für diese größere Studie gebildet hätten, erheblich gekürzt, um hier nur die wichtigsten Informationen zu liefern, die für die Kontextualisierung von Israel/Palästina und für das Verständnis Israels als Teil der umgebenden Region verfügbar sind.
Bei unserem ursprünglichen Projekt hatten wir geplant, die generationenübergreifende Geschichte mehrerer moderner israelischer Familien, jede aus einem anderen Land, auf dem Weg von ihrer Heimat bei ihren arabischen, türkischen oder persischen Nachbar:innen bis zu ihrem heutigen Leben in Israel nachzuzeichnen. Doch wird dieses Ansinnen auf eine ruhigere Zeit warten müssen. Diejenigen Israelis, die sich zunächst bereit erklärt hatten, an diesem Projekt mitzuwirken, fehlt es seit dem 7. Oktober an Zeit und Nerven für ein Unterfangen dieser Größenordnung ...
Wir hoffen, dass unsere ursprünglich geplante, umfassendere Studie eines Tages stattfinden wird und dass darin Geschichten [jüdischer Menschen aus dem Nahen Osten] neben den Geschichten palästinensischer Familien, die in der Nakba gelitten und deren Fluchtweg in der entgegengesetzten Richtung verlaufen sind, einen Platz haben werden. Für den Moment muss es jedoch genügen, dass wir Dutzende solcher Geschichten von palästinensischen Familien vor und nach der Nakba gelesen und dass uns palästinensische Menschen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten ähnliche Geschichten erzählt haben, dass wir gemeinsam mit ihnen das Brot gebrochen und unsere Feiertage mit ihnen geteilt haben und dass wir bis heute in Solidarität mit ihnen stehen und hoffen, dass sie die deutsche oder eine andere vollwertige, ihnen Sicherheit gebende Staatsbürgerschaft und die Chance auf einen Neuanfang erhalten werden. Doch von den jüdischen Menschen, die aus dem Nahen Osten fliehen mussten, hören wir so gut wie nichts. Während wir auf den ruhigeren Tag warten, an dem wir diesen, trotz aller Individualität, parallelen Geschichten nachgehen können, ist es zwingend erforderlich, dass wir die grundlegenden Fakten der ethnischen Säuberung der jüdischen Menschen aus dem Nahen Osten darlegen und den Konflikt in Israel/Palästina in einen breiteren Kontext stellen.
Lasst uns also die wichtigsten Mythen, die in den Debatten über Israel/Palästina auftauchen, als das entlarven, was sie wirklich sind.
Autoren von "Überlebenskampf zwischen Jordan und Mittelmeer"
Bücher von Zachary Gallant