14.09.2024 - Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten
Claudia Mende:
Unternehmerinnen, Menschenrechtsanwältinnen, Politikerinnen – viele
Menschen im Westen können sich nicht vorstellen, dass es solche Frauen in der
arabischen Welt gibt. Denn es passt nicht zum gängigen Stereotyp der »passiven,
unterdrückten arabischen Frau«. Aber die schablonenhaften Bilder verhindern den
Blick auf die Lebensrealität dieser Frauen. Sie streiten seit mehr als hundert
Jahren für ihre Rechte, kämpfen gegen Gewalt und für Selbstbestimmung über ihre
Leben und ihre Körper. Sie fordern gleiche Rechte und ein Ende männlicher
Dominanz. In ihrem Buch »Wir sind anders, als ihr denkt« blickt Claudia Mende
zurück auf die Anfänge des arabischen Feminismus und begleitet seine Entwicklung
bis heute. Dabei beschränkt sich die Autorin nicht darauf, über arabische Frauen
zu berichten. Sie lässt sie selbst zu Wort kommen und zeichnet so ein
facettenreiches Bild des arabischen Feminismus.
Abu Dhabi ist
Hightech und Glamour. In den Emiraten ist alles ein bisschen höher, größer und
bunter als woanders. Die Golfstaaten präsentieren sich als die Zukunft Arabiens,
digital, effizient, mit einem großen Faible für Kultur und Ästhetik. Hier liegt
kein Abfall auf dem Bürgersteig, keine Zigarettenkippe verunstaltet den sauberen
Boden. Während draußen Ende Mai bereits über 40 Grad schwüle Hitze das Leben
unerträglich machen, ist es auf der Buchmesse im Stadtzentrum von Abu Dhabi
eisgekühlt. In den großen Hallen präsentieren sich Verlage aus aller Welt, ein
Diskussionsforum jagt das nächste, dazwischen zeigen arabische TikTok-Stars ihre
Kochkünste und Familien mit Kindern freuen sich an Kunstworkshops. Die Abu Dhabi
Book Fair hat sich in den letzten Jahren zum wichtigsten Treffpunkt arabischer
Autorinnen und Autoren in der Region entwickelt. Hier begegnen sich
Intellektuelle, Verlegerinnen und Experten zu einem relativ freien Austausch.
Auf zahlreichen Podien diskutieren sie über die Zukunft des arabischen Buches,
es geht um Fachfragen der Übersetzer und Verlage, aber auch um die spezifischen
Erfahrungen von Autorinnen auf dem arabischen Buchmarkt. Hier zeigt die
arabische Welt ein ganz anderes Gesicht, fernab der Kriege und Katastrophen in
Damaskus, Bagdad oder Gaza. Kein Wunder, dass auf der Buchmesse in Abu Dhabi
auch die Debatten über ein Ende westlicher Dominanz und ein neues arabisches
Selbstbewusstsein geführt werden.
»Lange genug hat die Welt über den Nahen Osten geredet, aber jetzt gibt
es eine neue Generation mit einer eigenen Agenda«, meint die einflussreiche
emiratische Autorin und Kolumnistin Dubai Abulhoul bei einer der vielen
Diskussionsrunden auf der Buchmesse im vergangenen Jahr. Abulhoul ist 28 Jahre
jung, aber den öffentlichen Auftritt längst gewohnt und sie verkörpert dieses
neue Selbstbewusstsein wie kaum eine andere. »Wir wollen endlich für uns selbst
sprechen«, sagt sie und meint mit »Wir« nicht nur die Emiratis, sondern ganz
besonders die arabischen Frauen. »Wir sind anders, als ihr denkt«, fährt
Abulhoul fort, eine große, elegant gekleidete Frau mit einem lose um den Kopf
gebundenen Schal, der mehr andeutet als verhüllt. »Wir sind nicht diese armen,
unterdrückten Opfer, die vom Westen gerettet werden müssen. Diese Zeiten sind
vorbei.«
Abulhoul schreibt nicht nur regelmäßig in emiratischen Medien und ist
Mitglied im Jugendparlament des Landes. Sie wurde von der Zeitschrift Arabian
Business auch als eine der wichtigsten 100 Persönlichkeiten in den Emiraten
ausgezeichnet und hat in Dubai den Thinktank Fiker Institute gegründet, der eine
Plattform für postkoloniale Standpunkte darstellt. Aus ihr spricht der Stolz
über den Aufbau eines jungen Staates, der erst im Jahr 1971 mit der
Unabhängigkeit von Großbritannien gegründet wurde. Damals gab es in den Emiraten
nur Dattelpalmen, Kamele und Wüstensand. Heute präsentieren sie sich dank Öl-
und Gasvorkommen als moderner Staat, einer der reichsten der Welt, mit einer
Infrastruktur, von der die meisten Länder nur träumen können. Anders als in
deutschen Städten fährt die U-Bahn in Dubai stets pünktlich, Zugausfälle gibt es
genauso wenig wie Unterbrechungen der schnellen Netzverbindungen.
Applaus für das Erreichte suchen die Emiratis nicht. »Wir brauchen diese
Anerkennung des Westens nicht, für das, was wir aufgebaut haben, nämlich eine
moderne Gesellschaft, in der jeder eine Chance bekommt«, konstatiert Abulhoul.
Kritik an der eigenen Regierung, an Überwachungsstaat und fehlenden
Bürgerrechten indes hört man von ihr nicht. Abulhoul gehört zu einer jungen
Generation arabischer Frauen, die die kulturelle Dominanz des Westens genauso
zurückweisen wie Klischees über arabische Frauen. Sie kritisieren auch die
europäischen Frauenbewegungen und fordern von ihnen, die eigene koloniale
Vergangenheit aufzuarbeiten und ihre Version von Feminismus nicht mehr als
allgemeingültige Norm darzustellen. Denn das Machtgefälle aus der Kolonialzeit
würde bis heute auch das Verhältnis zwischen arabischen und westlichen Frauen
prägen, so Abulhoul.
Zahlreiche Frauen aus Ländern des globalen Südens haben diesen Standpunkt in
den letzten Jahren vorgebracht. Nicht nur arabische, auch afrikanische,
lateinamerikanische oder karibische Frauen bringen ihre Verletzung und ihre Wut
angesichts der in ihren Augen bestehenden Dominanz westlicher Feministinnen zum
Ausdruck und fordern eine neue, echte Solidarität. So meint die in Pakistan
geborene US-amerikanische Anwältin Rafia Zakaria in ihrem Buch Against White
Feminism, »der Aufbau einer echten feministischen Solidarität bedeutet, die
Vorherrschaft des Weißseins im Feminismus aufzudecken und zu zerstören«.
»Dekolonisiert den Feminismus«, verlangt auch Soumaya Mestiri, Professorin
für Politische Philosophie und Sozialphilosophie an der Universität Tunis, in
ihrem 2019 auf Französisch erschienenen gleichnamigen Buch. »Der westliche
Feminismus hat eine erhebliche Schlagseite«, schreibt sie. Er unterschlage die
Rolle indigener Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika bis heute. Die im 19.
Jahrhundert zur Speerspitze des antikolonialen Kampfes gehörenden Frauen kämen
genauso wenig vor wie jene, die heute im globalen Süden gegen strukturelle
Ungleichheiten kämpften. Die Leistungen dieser Frauen wie etwa der indischen
Aktivistin Vandana Shiva, der Kenianerin Wangari Mathai oder der 2021
verstorbenen Ägypterin Nawal El Saadawi seien aufgrund der eurozentrischen
Sichtweise im »weißen Feminismus« nicht gesehen worden. Außerdem wirft Mestiri
dem »weißen« Mainstream-Feminismus vor, das Bild von Frauen aus dem globalen
Süden bis zur Karikatur verfälscht zu haben. Er zeichne arabische Frauen
gleichzeitig als »hypersexualisiert und unterwürfig«, »als armselige Kreaturen,
dominiert von den einheimischen Männern, die gewalttätig und aggressiv sind«.
Auch im Feminismus gebe es Machtstrukturen, die echte Solidarität verhinderten.
Diese Kritik lässt sich nicht von der Hand weisen, auch wenn sie benutzt
werden kann, um im Namen kultureller Authentizität von eigenen Fehlern
abzulenken. Aber das koloniale Erbe wirkt bis heute nach und verhindert eine
Solidarität auf Augenhöhe. Wenn heute die Rede davon ist, europäische Frauen
seien so viel weiter und emanzipierter als die »armen unterdrückten arabischen
Frauen«, dann schwingen Bilder mit, die ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit
haben. Die Aufarbeitung dieser kolonialen Last ist notwendig, aber für westliche
Gesellschaften herausfordernd, weil sie an die Substanz des europäischen
Selbstverständnisses als Speerspitze von Fortschritt, Freiheit und Gleichheit
rührt und entsprechende Widerstände hervorruft. Die Debatten darüber haben
gerade erst begonnen; dass sie auch die Frauenbewegungen betreffen sollten,
steht noch wenig im Fokus. Denn auch diese müssen die eigene Geschichte kritisch
durchleuchten und von kolonialen Resten entrümpeln. Es geht um das kulturelle
Gepäck, das im Hintergrund mitschwingt und die Beziehungen belastet. Wer sich
die medialen Debatten über orientalische Frauen, über Kopftuch und
»Unterdrückung« anschaut, muss feststellen, dass hier verwendete Gedankenmuster
keineswegs neu sind.
Das Stereotyp von der »unterdrückten arabischen Frau« und der einseitige
Fokus in Medien und Öffentlichkeit auf Kopftuch, Zwangsehen und »Ehrenmorde«
führt zu einem verengten, einseitigen Bild. Es hindert die westliche
Öffentlichkeit daran, einen genaueren Blick auf die sich wandelnde
Lebensrealität arabischer Frauen und auf ihre Leistungen in einem oftmals
schwierigen politischen Umfeld zu werfen. Die stereotypen Bilder erschweren auch
eine echte Solidarität mit den Schwestern in der arabischen Welt. Die Geschichte
ist bitter, denn man muss festhalten: Frauenbewegungen in Europa standen in der
Regel nicht an der Seite ihrer Schwestern im globalen Süden.
Autoren von "Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten"
14.09.2024 - Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten
Unternehmerinnen, Menschenrechtsanwältinnen, Politikerinnen – viele Menschen im Westen können sich nicht vorstellen, dass es solche Frauen in der arabischen Welt gibt. Denn es passt nicht zum gängigen Stereotyp der »passiven, unterdrückten arabischen Frau«. Aber die schablonenhaften Bilder verhindern den Blick auf die Lebensrealität dieser Frauen. Sie streiten seit mehr als hundert Jahren für ihre Rechte, kämpfen gegen Gewalt und für Selbstbestimmung über ihre Leben und ihre Körper. Sie fordern gleiche Rechte und ein Ende männlicher Dominanz. In ihrem Buch »Wir sind anders, als ihr denkt« blickt Claudia Mende zurück auf die Anfänge des arabischen Feminismus und begleitet seine Entwicklung bis heute. Dabei beschränkt sich die Autorin nicht darauf, über arabische Frauen zu berichten. Sie lässt sie selbst zu Wort kommen und zeichnet so ein facettenreiches Bild des arabischen Feminismus.
Abu Dhabi ist Hightech und Glamour. In den Emiraten ist alles ein bisschen höher, größer und bunter als woanders. Die Golfstaaten präsentieren sich als die Zukunft Arabiens, digital, effizient, mit einem großen Faible für Kultur und Ästhetik. Hier liegt kein Abfall auf dem Bürgersteig, keine Zigarettenkippe verunstaltet den sauberen Boden. Während draußen Ende Mai bereits über 40 Grad schwüle Hitze das Leben unerträglich machen, ist es auf der Buchmesse im Stadtzentrum von Abu Dhabi eisgekühlt. In den großen Hallen präsentieren sich Verlage aus aller Welt, ein Diskussionsforum jagt das nächste, dazwischen zeigen arabische TikTok-Stars ihre Kochkünste und Familien mit Kindern freuen sich an Kunstworkshops. Die Abu Dhabi Book Fair hat sich in den letzten Jahren zum wichtigsten Treffpunkt arabischer Autorinnen und Autoren in der Region entwickelt. Hier begegnen sich Intellektuelle, Verlegerinnen und Experten zu einem relativ freien Austausch. Auf zahlreichen Podien diskutieren sie über die Zukunft des arabischen Buches, es geht um Fachfragen der Übersetzer und Verlage, aber auch um die spezifischen Erfahrungen von Autorinnen auf dem arabischen Buchmarkt.
Hier zeigt die arabische Welt ein ganz anderes Gesicht, fernab der Kriege und Katastrophen in Damaskus, Bagdad oder Gaza. Kein Wunder, dass auf der Buchmesse in Abu Dhabi auch die Debatten über ein Ende westlicher Dominanz und ein neues arabisches Selbstbewusstsein geführt werden.
»Lange genug hat die Welt über den Nahen Osten geredet, aber jetzt gibt es eine neue Generation mit einer eigenen Agenda«, meint die einflussreiche emiratische Autorin und Kolumnistin Dubai Abulhoul bei einer der vielen Diskussionsrunden auf der Buchmesse im vergangenen Jahr. Abulhoul ist 28 Jahre jung, aber den öffentlichen Auftritt längst gewohnt und sie verkörpert dieses neue Selbstbewusstsein wie kaum eine andere. »Wir wollen endlich für uns selbst sprechen«, sagt sie und meint mit »Wir« nicht nur die Emiratis, sondern ganz besonders die arabischen Frauen. »Wir sind anders, als ihr denkt«, fährt Abulhoul fort, eine große, elegant gekleidete Frau mit einem lose um den Kopf gebundenen Schal, der mehr andeutet als verhüllt. »Wir sind nicht diese armen, unterdrückten Opfer, die vom Westen gerettet werden müssen. Diese Zeiten sind vorbei.«
Abulhoul schreibt nicht nur regelmäßig in emiratischen Medien und ist Mitglied im Jugendparlament des Landes. Sie wurde von der Zeitschrift Arabian Business auch als eine der wichtigsten 100 Persönlichkeiten in den Emiraten ausgezeichnet und hat in Dubai den Thinktank Fiker Institute gegründet, der eine Plattform für postkoloniale Standpunkte darstellt. Aus ihr spricht der Stolz über den Aufbau eines jungen Staates, der erst im Jahr 1971 mit der Unabhängigkeit von Großbritannien gegründet wurde. Damals gab es in den Emiraten nur Dattelpalmen, Kamele und Wüstensand. Heute präsentieren sie sich dank Öl- und Gasvorkommen als moderner Staat, einer der reichsten der Welt, mit einer Infrastruktur, von der die meisten Länder nur träumen können. Anders als in deutschen Städten fährt die U-Bahn in Dubai stets pünktlich, Zugausfälle gibt es genauso wenig wie Unterbrechungen der schnellen Netzverbindungen.
Applaus für das Erreichte suchen die Emiratis nicht. »Wir brauchen diese Anerkennung des Westens nicht, für das, was wir aufgebaut haben, nämlich eine moderne Gesellschaft, in der jeder eine Chance bekommt«, konstatiert Abulhoul. Kritik an der eigenen Regierung, an Überwachungsstaat und fehlenden Bürgerrechten indes hört man von ihr nicht. Abulhoul gehört zu einer jungen Generation arabischer Frauen, die die kulturelle Dominanz des Westens genauso zurückweisen wie Klischees über arabische Frauen. Sie kritisieren auch die europäischen Frauenbewegungen und fordern von ihnen, die eigene koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten und ihre Version von Feminismus nicht mehr als allgemeingültige Norm darzustellen. Denn das Machtgefälle aus der Kolonialzeit würde bis heute auch das Verhältnis zwischen arabischen und westlichen Frauen prägen, so Abulhoul.
Zahlreiche Frauen aus Ländern des globalen Südens haben diesen Standpunkt in den letzten Jahren vorgebracht. Nicht nur arabische, auch afrikanische, lateinamerikanische oder karibische Frauen bringen ihre Verletzung und ihre Wut angesichts der in ihren Augen bestehenden Dominanz westlicher Feministinnen zum Ausdruck und fordern eine neue, echte Solidarität. So meint die in Pakistan geborene US-amerikanische Anwältin Rafia Zakaria in ihrem Buch Against White Feminism, »der Aufbau einer echten feministischen Solidarität bedeutet, die Vorherrschaft des Weißseins im Feminismus aufzudecken und zu zerstören«.
»Dekolonisiert den Feminismus«, verlangt auch Soumaya Mestiri, Professorin für Politische Philosophie und Sozialphilosophie an der Universität Tunis, in ihrem 2019 auf Französisch erschienenen gleichnamigen Buch. »Der westliche Feminismus hat eine erhebliche Schlagseite«, schreibt sie. Er unterschlage die Rolle indigener Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika bis heute. Die im 19. Jahrhundert zur Speerspitze des antikolonialen Kampfes gehörenden Frauen kämen genauso wenig vor wie jene, die heute im globalen Süden gegen strukturelle Ungleichheiten kämpften. Die Leistungen dieser Frauen wie etwa der indischen Aktivistin Vandana Shiva, der Kenianerin Wangari Mathai oder der 2021 verstorbenen Ägypterin Nawal El Saadawi seien aufgrund der eurozentrischen Sichtweise im »weißen Feminismus« nicht gesehen worden. Außerdem wirft Mestiri dem »weißen« Mainstream-Feminismus vor, das Bild von Frauen aus dem globalen Süden bis zur Karikatur verfälscht zu haben. Er zeichne arabische Frauen gleichzeitig als »hypersexualisiert und unterwürfig«, »als armselige Kreaturen, dominiert von den einheimischen Männern, die gewalttätig und aggressiv sind«. Auch im Feminismus gebe es Machtstrukturen, die echte Solidarität verhinderten.
Diese Kritik lässt sich nicht von der Hand weisen, auch wenn sie benutzt werden kann, um im Namen kultureller Authentizität von eigenen Fehlern abzulenken. Aber das koloniale Erbe wirkt bis heute nach und verhindert eine Solidarität auf Augenhöhe. Wenn heute die Rede davon ist, europäische Frauen seien so viel weiter und emanzipierter als die »armen unterdrückten arabischen Frauen«, dann schwingen Bilder mit, die ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit haben. Die Aufarbeitung dieser kolonialen Last ist notwendig, aber für westliche Gesellschaften herausfordernd, weil sie an die Substanz des europäischen Selbstverständnisses als Speerspitze von Fortschritt, Freiheit und Gleichheit rührt und entsprechende Widerstände hervorruft.
Die Debatten darüber haben gerade erst begonnen; dass sie auch die Frauenbewegungen betreffen sollten, steht noch wenig im Fokus. Denn auch diese müssen die eigene Geschichte kritisch durchleuchten und von kolonialen Resten entrümpeln. Es geht um das kulturelle Gepäck, das im Hintergrund mitschwingt und die Beziehungen belastet. Wer sich die medialen Debatten über orientalische Frauen, über Kopftuch und »Unterdrückung« anschaut, muss feststellen, dass hier verwendete Gedankenmuster keineswegs neu sind.
Das Stereotyp von der »unterdrückten arabischen Frau« und der einseitige Fokus in Medien und Öffentlichkeit auf Kopftuch, Zwangsehen und »Ehrenmorde« führt zu einem verengten, einseitigen Bild. Es hindert die westliche Öffentlichkeit daran, einen genaueren Blick auf die sich wandelnde Lebensrealität arabischer Frauen und auf ihre Leistungen in einem oftmals schwierigen politischen Umfeld zu werfen. Die stereotypen Bilder erschweren auch eine echte Solidarität mit den Schwestern in der arabischen Welt. Die Geschichte ist bitter, denn man muss festhalten: Frauenbewegungen in Europa standen in der Regel nicht an der Seite ihrer Schwestern im globalen Süden.
Autoren von "Der Westen und die Frauenrechte: Koloniale Lasten"
Bücher von Claudia Mende