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Kommentar

28.04.2025 - Jürgen Ploog: La Cubanera

Jürgen Ploog (1935-2020) war der große Solitär des deutschen Undergrounds, ein Hauptdarsteller am unbekannten Rand des Literaturbetriebs, der intellektuelle Kopf der subkulturellen Literaturszene. Jahrzehntelang war er Verfechter und Vordenker einer Literatur, die in ihrem Bewusstsein mit den Transformationen der Lebenswelt Schritt halten kann. In der Szene war Ploog schon zu Lebzeiten eine Legende. Der etablierte Literaturbetrieb hat ihn aber nie wirklich zur Kenntnis genommen. Wolfgang Rüger präsentiert nun in dem Reader „Ploog – West End“ bisher unveröffentlichtes Material aus dem Nachlass. Ein Auszug.

Es begann mit einem Blick. Sicher, ein Blick sagt nichts. Er ist wie ein Streifschuss, den man schnell vergisst.
Dieser war anders. Es war ein Blick, der wie über eine lange Zeitstrecke kam … ausgelöst von einer Erinnerung, die aus dem Gedächtnis gefallen war. Sehnsucht, die in ihm lag, war die Sehnsucht, etwas von der verlorenen Erinnerung zurückzuholen.
Nur ganz selten beginnen Episoden so wie diese auf einem Marktplatz im Süden nördlich von Kuba. Das muss als Ortsangabe genügen, denn das Geschehen ließ die Geografie schnell verschwinden. Es lief ab, als würde ich einen anderen Kontinent betreten.
In der Stadt gab es ein Kasino, in dem es nachts hoch herging. Würfel rollten, Spielkarten flutschten, Glücksräder drehten sich, Männer schwitzten, die Frauen waren leicht bekleidet, aufreizend geschminkt mit Blüten im Haar. Zwischen den Drinks konnte es vorkommen, dass sich plötzlich ein Schuss löste & ein Stück Stuck von der Decke fiel. Nur keine Aufregung, das war Routine.
Gewöhnlich folgte ich dem Mechaniker ins Kasino. Der Mechaniker glaubte wie viele Spieler an ein System, das er anhand endloser Zahlenreihen ausgetüftelt hatte.
Ich spielte nicht. Von Spieltheorien hielt ich nichts, denn in Wahrheit ging es dabei um Strategie. Eine Strategie braucht einen langen Atem. Mir ging regelmäßig die Knete aus, bevor ich feststellen konnte, ob die Strategie erfolgreich war. Ich fand, Ludologie war etwas für Zuhälter. Ich war nicht bereit, mich auf Gegenspieler einzulassen.
Spieler sind Leute, die sich nicht in die Karten schauen lassen. Sie versuchen sich anders zu verhalten, als die Mitspieler es erwarten. Das war das gängige Muster, also durchschaubar. In der nächsten Stufe von Raffinesse ging es darum, sich so zu verhalten, wie es die anderen erwarteten, was Konzentration & erhöhte mentale Aktivität verlangte.
Ich verfolgte die Spiele mit Blick auf das Verhalten der Spieler. Was unternahmen sie, um ihr Vorgehen zu tarnen? Wie sahen die Kniffe aus, mit denen sie sich verstellten? Wann brach das Versteckspiel zusammen & Panik übernahm?
Der Einbruch des Realen in dieses Schauspiel lief immer dramatisch ab. Vor allem deswegen, weil es zunächst als Teil der Täuschung gehalten wurde. Schließlich kam es immer wieder vor, dass Spieler in eine aussichtslose Lage gerieten, den Saal verließen, um auf der Terrasse ein Glas Champagner zu trinken & sich dann die Kugel gaben. Sie hatten um ihr Leben gespielt & verloren. Wobei notorische Spieler auch das als ein geschickt inszeniertes Ablenkungsmanöver betrachteten. Selbst eine Blutlache überzeugte sie nicht. Sie hatten den Sinn für reale Vorgänge verloren.
Wegen des feuchten Klimas beschlugen die hohen Scheiben des Spielsaals regelmäßig & ließen die tropische Landschaft hinter einem milchigen Schleier verschwinden.
Ich gönnte mir eine Pause, setzte mich an die Bar & bestellte einen Mojito. Ich wollte mich nicht als unbeteiligter Beobachter an den Spieltischen verdächtig machen.
Spiegelkugeln warfen ein irritierendes Licht auf die Szene. Meine Theorie war, dass das Splitterlicht sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit der Spieler auswirkte. Es überlagerte sich mit dem Rhythmus der Gehirnströme.
Es setzte ein hohes Maß an Wahrnehmungsaskese voraus, um sich diesem Einfluss zu entziehen. Der Mechaniker behauptete, dass das Opiumsüchtigen am besten gelang. Wer damit nicht aufwarten konnte, versuchte es mit Marihuana, das in Form von bazucos von Hand zu Hand ging.
Ich kann nicht behaupten, dass in dieser Atmosphäre mein Denken in geregelten Bahnen verlief. Je später die Nacht, desto unübersichtlicher wurden die Vorgänge im Saal. Es kam vor, dass Spieler wie in Trance agierten & sich wie Geistesgestörte aufführten. Die Einsätze erhöhten sich & damit Verluste & Gewinne. Es war kaum möglich, die Übersicht zu behalten. Am Schluss blieben nur professionelle Zocker übrig.
Der Mechaniker entschloss sich schließlich, das Handtuch zu werfen & zerrte mich nach draußen, wo ein sichelförmiger Mond zwischen Palmen hing. Ich wusste einen Augenblick lang nicht, wo ich war. Der südlich klare Himmel & die palmengesäumte Straße erinnerten mich an Südfrankreich oder Nordafrika. Dann fing ich mich, & wir betraten eine Kaschemme, in der es hoch herging. Laute mit Gesang vermischte Musik. Rumbas & Sambas wechselten sich mit Charangas ab.
Wir setzten uns an einen Tisch, ein hinkender Kellner erschien & wedelte mit einem Tuch über die glänzende Platte. Er schien zu wissen, was wir wollten, verschwand & kam mit Gläsern & einer Karaffe zurück.
An manchen Tischen wurde Karten gespielt & dazwischen wanden sich Körper mit tänzerischen Schritten. Eine stämmige Frau vollführte Korkenzieherbewegungen, knöpfte sich die Bluse auf & ließ die Brüste baumeln. Männer mit Strohhüten steckten Köpfe zusammen & schienen Geschäfte auszuhandeln. Kein Ort, um nach dem Trubel im Kasino seine Nerven zu schonen.
Ich hatte keine Ahnung, was der Mechaniker hier wollte.
Etwas weiter hinten saß ein Mädchen mit einem offenen Slip breitbeinig auf der Kante eines Billardtisches & fing Kugeln mit der Muschi auf. Ein paar Spieler rings um den Tisch wechselten sich ab, die Bälle mit dem Queue in ihre Richtung zu stoßen. Die Kunst war nicht, die Bälle aufzufangen, sondern sie wieder auszustoßen. Anscheinend wurden Wetten auf die Geschicklichkeit des Mädchens abgeschlossen.
Es war eine Geschichte aus den 1920er Jahren, die ich irgendwo gelesen hatte. Denn als ich wieder hinüber in die Ecke schaute, wo der Billardtisch stand, lehnte das Mädchen an einer Säule & beobachtete die Szene mit gelangweiltem Gesichtsausdruck. Ihr Blick verriet, dass sie drauf & dran war, einen Touristen auszunehmen. Sie brauchte Knete für die Weiterreise, nahm ich an.
Ich stand auf, ging auf sie zu & sagte: „Dein Blick ist eine Reise wert.

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