Kokainhandel, Wirtschaftsbetrug, die Jagd auf den Investmentbanker
Florian Homm und den Drogenbaron Pablo Escobar oder die Aufklärung des
Abschusses der MH17: Die Einsätze des Privatermittlers Josef Resch sind genauso
vielfältig wie gefährlich. Zu seinen Auftraggebern zählen Unternehmen,
Privatpersonen und immer wieder auch das LKA. Resch gewährt spannende und
einzigartige Einblicke in die sonst so verschwiegene und unbekannte Welt der
verdeckten Ermittlungen. Ein Auszug.
Während der vergangenen Jahre in Italien hatte ich mich in ein neues
Geschäftsfeld eingearbeitet. Ich hatte die Nase gestrichen voll von
Kokaindealern und dem Rotlichtmilieu. Schnellbootausflüge an die algerische
Küste brauchte ich auch nicht mehr. Für künftige Enkel hatte ich schon genug
Erzählstoff für lange Winterabende im Schaukelstuhl. Doch für den Ruhestand
fühlte ich mich noch deutlich zu jung. Ich hatte eine andere Spezies Verbrecher
im Kopf. Leute, die nach außen eine weiße Weste trugen und mit Koks nichts zu
tun hatten – außer, dass sie es vielleicht selbst gelegentlich konsumierten. Wer
glaubt, diese Spezies sei weniger gefährlich als ein durchgeknallter Koksdealer,
liegt total daneben. Die Gefahr steigt mit der Höhe des Einsatzes. Je mehr Geld
im Spiel ist, desto entschlossener der Verteidigungsreflex. Das hatte Mossi
spätestens bei seinem »Heizkissen« auf dem Parkdeck in Travemünde spüren müssen.
Trotzdem war die wichtigste und gefährlichste Waffe bei diesen Geschäften der
Verstand. Das war der entscheidende Unterschied.
Außenstehende würden dieses neue Betätigungsfeld wahrscheinlich als
Inkasso-Geschäft bezeichnen, und in gewisser Weise war es das auch. Doch hier
muss man genau differenzieren. Ein klassisches Inkas-so-Büro bekommt von einem
Gläubiger den Auftrag, bei einem säumigen Schuldner Geld einzutreiben. Die
schreiben einen Brief, dann einen nächsten und noch einen weiteren. Der Ton wird
mit jedem Schreiben schärfer, bis sie irgendwann mit einer Klage drohen.
Mitarbeiter eines solchen Inkassobüros fahren morgens zur Arbeit an ihren
Schreibtisch und haben pünktlich Feierabend. Die Summen, um die es dabei geht,
reichen von ein paar Euro für eine nicht bezahlte Stromrechnung bis hin zum
Bankkredit, der nicht mehr bedient werden kann. Die Rechtslage ist meistens so
eindeutig, dass der Schuldner irgendwann zahlt oder in die Insolvenz geschickt
wird.
Alle anderen, die unter der Bezeichnung »Inkasso« ihr Unwesen treiben, sind
schlicht kriminelle Abzocker. Beide Geschäftsmodelle waren nichts für mich.
Was mir vor-schwebte, würde ich eher als »Kapitaldienstleistung« bezeichnen:
verschwundenes Geld für die rechtmäßigen Besitzer zurückholen. Wobei rechtmäßig
auch Definitionssache ist. Denn in den meisten Fällen ging es um Schwarzgeld,
sonst müsste kein privater Ermittler hinzugezogen werden. Die Sache war
lukrativ. 20 Prozent der Summe, die ich zurückholte, wurden als Provision
fällig. Ein hübsche Summe, wenn es wie bei einem meiner ersten Kunden um 2,5
Millionen Euro oder damals noch 35 Millionen Österreichische Schilling ging.
Diese Summe hatte ein Wiener Geschäftsmann einem Zürcher Makler anvertraut,
damit er sie gewinnbringend in Immobilien investiert. Wäre er dabei erfolgreich,
sollte noch mehr Geld kommen. Doch als er trotz mehrfacher Nachfragen nach einem
halben Jahr nur ein paar offen-sichtlich gefälschte Verträge bekommen hatte,
wurde er verständlicherweise nervös und schaltete mich ein. Viel hatte er gegen
den Makler nicht in der Hand. Es gab nicht mal einen vernünftigen Vertrag. Eine
Kündigung hatte der Schweizer nicht akzeptiert. Er hätte schon zu viel Aufwand
in der Sache gehabt. »Sie haben ein Problem«, fasste ich zusammen. Er nickte.
Am liebsten wäre es ihm, wenn ich das Geld sofort komplett zu-rückhole. Doch
ganz so einfach war das nicht, denn er hatte nur etwa die Hälfte der Summe bei
der Einreise deklariert. Das roch nach Schwarzgeld, auch wenn er beteuerte,
alles sei versteuert. Warum er dann trotzdem so viel Bargeld illegal in die
Schweiz gebracht hatte, blieb mir ein Rätsel. Hätten sie ihn damit an der Grenze
erwischt, wäre es teuer geworden. Einzahlen konnte er es bei keiner Bank,
höchstens in ein Schließfach legen. Das alles wusste natürlich auch der Makler.
Mein Auftraggeber hatte sich somit erpressbar gemacht.
Mossi und ich reisten nach Zürich, um Erkundigungen über den Makler
einzuholen. Sein Büro lag in der Bahnhofstrasse. Die Mieten betragen hier pro
Quadratmeter und Monat im Erdgeschoss etwa 1250 Franken – das ist europaweiter
Rekord. Nur in Manhattan und Hongkong werden ähnliche Preise aufgerufen. Wir
zogen ein paar Erkundigungen ein und begleiteten ihn nach Hause, ohne dass er es
bemerkte. Auffällig war nur sein nagelneuer Ferrari Spider. Aber wer in der Lage
ist, ein Büro in der Bahnhofstrasse zu finanzieren, wird sich auch einen Ferrari
leisten können. Wir fanden heraus, dass er in vielen Vereinen und Verbänden im
Vorstand saß. Uns war klar, warum. So macht man Bekanntschaften, die gut sind
fürs Geschäft.
Gleichzeitig heuerte ich einen Mann an, der über ganz besondere Fähigkeiten
verfügte – er war ein Charmeur, wie er im Bilderbuch steht. Damit meine ich
keinen »Aufreißer«, sondern einen knapp 60-Jährigen mit weißen Haaren und
ausgezeichneten Manieren, der eine ganz besondere Aufgabe hatte: Er sollte sich
das Vertrauen der Sekretärin des Maklers erschleichen. Ich brauchte einen
intimen Ein-blick in die Geschäfte des Mannes. Es gibt ein altes Sprichwort:
»Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen.« Klingt abgedroschen,
steckt aber viel Wahrheit drin. Ich war mir sicher, er würde längst nicht mehr
die Vorsicht walten lassen, die erforderlich ist, wenn man sich nicht
buchstabengetreu an die Gesetze hält. Es ist die Überheblichkeit eines
erfolgreichen Betrügers. Er hält sich irgendwann für unangreifbar. Ein fataler
Irrtum. Deswegen hatte ich mir den Makler auch genau vom Wiener beschreiben
lassen. Ist er arrogant? Wie ist er im Umgang mit seinen Angestellten? »Da
herrscht schon ein sehr dominanter Ton«, hatte der Wiener berichtet. Das spielte
mir perfekt in die Karten. Schlecht wäre es dagegen gewesen, hätte er ein
Verhältnis mit seiner Sekretärin. Dann wäre mir dieser Weg verschlossen
geblieben. Es ist ein großer Fehler, die engsten Mitarbeiter schlecht zu
behandeln, denn sie wissen einfach zu viel. Loyalität kauft man sich mit
Freundlichkeit und Respekt. Und wenn man damit Probleme hat, sollte man
zumindest beim Gehalt ein bisschen was drauflegen. Schmerzensgeld sozusagen.
Ein kleiner Kratzer beim Ausparken ist eine wunderbare Methode, ins Gespräch
zu kommen. »Ich bestehe darauf, dass ich Sie für die Unannehmlichkeiten, die
Ihnen dadurch entstehen, zum Essen einlade. Und ich dulde keine Widerrede«,
sagte mein Charmeur mit seinem gewinnenden Lächeln, als er zusammen mit der
Sekretärin des Maklers den relativ kleinen Schaden am Kotflügel ihres VW Polo
begutachtete. »So schlimm ist das doch wirklich nicht«, lächelte sie zurück.
»Ich bestehe aber darauf«, ließ mein Mann nicht locker. »Morgen Mittag?« »Na
gut, wenn Sie darauf bestehen.« »Ich freue mich schon.«
Das »Drehbuch« für so ein Date ist wichtig. Er darf nicht zu viel von sich
erzählen und schon gar nicht mit der Mein-Haus-mein-Auto-meine-Yacht-Nummer
kommen. Das wäre absolut kontraproduktiv. Mit so einem Kerl arbeitete sie
schließlich täglich zusammen. Er musste gut zuhören können und an den richtigen
Stellen nachfragen. Wenn sie sich vom Chef schlecht behandelt fühlte, würde das
irgendwann schon anklingen – und dann musste er nachhaken: »Verstehe ich nicht,
auf mich machen Sie einen sehr zuverlässigen Eindruck.« Ein unverfängliches
Kompliment, das sie dazu bringen sollte, noch mehr zu erzählen, ohne dass sie
den Eindruck bekam, er würde sie aushorchen. Tat er ja auch nicht. Es war nur
ein Kompliment. Sie trafen sich in den folgenden Wochen öfter zum Lunch. Die
Atmosphäre wurde lockerer, der Umgang vertrauter. Beim vierten Treffen kam sie
mit erkennbar schlechter Laune. »Dieser Idiot«, schimpfte sie. »Der glaubt wohl,
er kann sich alles erlauben. Ich bin doch nicht seine Leibeigene.« Sie kämpfte
sichtbar mit den Tränen. Das war der richtige Zeitpunkt für den Angriff.
»Schimpfen Sie ruhig, das tut gut. Ich bin auf Ihrer Seite.« Und dann erzählte
sie, wie der Makler sie wegen eines kleinen Fehlers vor einem Geschäftspartner
übel beleidigt hatte. »Wenn die dumme Kuh so viel im Kopf hätte wie in der
Bluse, müsste ich mich nicht um alles selbst kümmern.«
»Das sollten Sie sich auf gar keinen Fall gefallen lassen«, unterstützte sie
mein Mann. »Was soll ich denn tun? Ihn anzeigen? Glauben Sie im Ernst, sein
Geschäftspartner würde mich dabei unterstützen? So dreckig, wie der gelacht hat?
Nie im Leben.« »Schlagen Sie ihn mit seinen eigenen Waffen. Wenn ich Ihre
Andeutungen bei unseren letzten Treffen richtig verstanden habe, gibt es da ein
paar Dinge, die ihm richtig weh tun könnten.« »Das können Sie mir glauben«,
pflichtete sie ihm bei. »Wenn ich mal richtig auspacke, bekommt der Idiot jede
Menge Ärger.« »Dann tun Sie es doch ganz einfach.« »Wie, ich soll zum
Finanzamt gehen? So etwas habe ich noch nie gemacht.« »Ich kann Ihnen dabei
helfen. Ich kenne die richtigen Leute. Dabei würde sogar noch ein hübsches
Sümmchen für Sie rausspringen.« »Meinen Sie wirklich?« »Sonst würde ich es
Ihnen nicht vorschlagen.« Damit hatten wir den Makler im Sack. Aus lauter
Bequemlichkeit hatte der Esel immer wieder Unterlagen im Büro liegenlassen, die
ganz klar belegten, dass bei einigen seiner Immobiliengeschäfte das Finanzamt
deutlich zu kurz gekommen war. »In den nächsten Tagen«, sagte der Charmeur zur
Sekretärin, »wird ein gewisser Dr. Berger bei Ihnen anrufen und um einen Termin
bei ihrem Chef bitten. Geben Sie ihm einen.« Ich bat Mossi, sich ein paar
Tage nicht zu rasieren. Der grinste: »Muss ich wieder den bösen Buben spielen?«
»Könnte hilfreich sein.« Ich schlüpfte in die Rolle des Dr. Berger aus Bayern
und saß knapp zwei Wochen später in seinem Büro: »Wie sind Sie auf mich
gekommen?«, fragte der Makler. »Sie haben eine gute Internetseite«,
antwortete ich.
Die Informationen, die wir von der Sekretärin bekommen hatten, waren gut,
aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und hatte des-wegen bei einem guten
Bekannten in Zürich 250 000 Euro Bargeld deponiert, das uns unter Umständen
helfen musste, den Makler aus der Reserve zu locken. Denn wenn er sich
bereiterklärte, eine so große Menge Bargeld von einem Ausländer zu akzeptieren,
war damit klar, dass seine Geschäfte nicht ganz sauber sein konnten. Warum?
Ausländer bekamen in der Schweiz grundsätzlich ein Problem, wenn sie so viel
Bargeld bei sich trugen. Mossi, der durch seinen wilden Bartwuchs
mittlerweile ziemlich verwegen aussah, blieb zunächst draußen. Dr. Berger
wollte Geld bei dem Makler anlegen und druckste ein bisschen rum. »Ich würde es
gerne bar einzahlen.« »Überhaupt kein Problem«, sagte er sofort. Er hatte
also keine Skrupel, das Geld zu nehmen. Dass er seine Maske so schnell fallen
lässt, hätte ich nicht erwartet.
»Sie können da nicht einfach rein«, hörte ich die Sekretärin durch die
geschlossene Tür. »Sie sehen doch, dass ich es kann«, antwortete Mossi, als
er die Bürotür öffnete und sich einen Besucherstuhl schnappte. Das waren
gleichzeitig auch die einzigen Worte, die er in diesem Büro sprach. »Darf ich
vorstellen? Mossi, einer meiner Mitarbeiter«, versuchte ich das große
Fragezeichen im Gesicht meines Gegenübers aufzulösen und damit gleichzeitig ein
neues zu platzieren. »Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht promoviert. Sie müssen
mich also nicht mehr mit Doktor anreden. Beim Nachnamen können Sie es halten,
wie Sie wollen. Tatsächlich bin ich hier, weil mich ein Wiener Geschäftsmann,
den Sie sicher gut kennen, gebeten hat, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten.
Wollen Sie es hören?« »Verlassen Sie sofort mein Büro«, forderte er mich auf.
»Ich glaube nicht, dass Sie in der Situation sind, Forderungen zu stellen«,
entgegnete ich und erinnerte ihn an ein paar seiner unsauberen
Immobiliengeschäfte, von denen wir über die Sekretärin erfahren hatten.
Es ist völlig normal, dass in einer solchen Situation eine kleine Pause
entsteht. Eben hatte er noch geglaubt, der gutmütige Dr. Berger aus Bayern wolle
sein Geld bei ihm verbrennen, nur um jetzt realisieren zu müssen, dass er in die
Defensive gerutscht war – außerdem in Unterzahl. Es ist immer wieder
interessant zu beobachten, wie sich die Mimik in solchen Situationen verändert.
Auch die Körperhaltung. Plötzlich sitzt ein anderer Mensch auf der anderen Seite
des Schreibtisches. Eher unsicher, sicher auch ängstlich, auf keinen Fall aber
gönnerhaft und siegessicher. Der Makler war gedanklich gerade eben aus seinem
Ferrari Spider in einen Trabi umgestiegen. So eine Situation muss man ausnutzen.
»Ich schlage Ihnen vor, Sie überweisen ohne weitere Formalitäten 2,5 Millionen
Euro an meinen Auftraggeber, und die Sache ist aus der Welt.« Jetzt druckste
er: »Aber wer garantiert mir, dass die Sache mit dem Wiener dann wirklich aus
der Welt ist?« »Ich. Und das gebe ich Ihnen auch schriftlich.« Ich zog einen
Zettel aus der Tasche, den der Wiener unterschrieben hatte. »Und woher soll
ich wissen, dass das kein blöder Trick ist?« Ein letzter Versuch seinerseits.
»Glauben Sie mir einfach. Eine Wahl haben Sie ohnehin nicht.« Drei Tage
später war das Geld bei dem Wiener auf dem Konto. Ganz ungetrübt war die Freude
nicht, weil es danach noch einen längeren Schriftverkehr mit den Finanzbehörden
gegeben hatte. Die Sekretärin buchte von ihrem Honorar erst einmal eine längere
Fernreise und legte dem Makler noch am selben Tag die Kündigung auf den Tisch.
Um dieses Geschäftsmodell weiter auszubauen, verfeinerte ich meine Methoden,
denn so einfach wie bei dem Wiener und seinem Zürcher Geschäftsmann war es nicht
immer. In dem Fall war ganz klar, wo das Geld war und vor allem, wo derjenige
war, der es hatte. Wer aber ein paar Millionen, gerne auch im zweistelligen
Bereich, verschwinden lassen hatte, setzte sich gerne ab, um fernab der Heimat
ein sorgenfreies Leben an exotischen Gestaden zu führen. Diese Leute musste man
dann erst einmal finden. So kam ich auf die Idee mit dem Kopfgeld. Ich
überzeugte meine Auftraggeber, dass Geld Zungen lockert und sie zusätzlich zu
meiner Provision noch einen hohen Betrag zur Verfügung stellen mussten, den ich
als Belohnung für Hinweise auf den Aufenthaltsort der gesuchten Person aussetzen
konnte. Ein fast todsicheres System, wie sich schnell herausstellen sollte. Und
dazu noch absolut legal.
13.04.2025 - Gefahr ist mein Beruf
Kokainhandel, Wirtschaftsbetrug, die Jagd auf den Investmentbanker Florian Homm und den Drogenbaron Pablo Escobar oder die Aufklärung des Abschusses der MH17: Die Einsätze des Privatermittlers Josef Resch sind genauso vielfältig wie gefährlich. Zu seinen Auftraggebern zählen Unternehmen, Privatpersonen und immer wieder auch das LKA. Resch gewährt spannende und einzigartige Einblicke in die sonst so verschwiegene und unbekannte Welt der verdeckten Ermittlungen. Ein Auszug.
Während der vergangenen Jahre in Italien hatte ich mich in ein neues Geschäftsfeld eingearbeitet. Ich hatte die Nase gestrichen voll von Kokaindealern und dem Rotlichtmilieu. Schnellbootausflüge an die algerische Küste brauchte ich auch nicht mehr. Für künftige Enkel hatte ich schon genug Erzählstoff für lange Winterabende im Schaukelstuhl. Doch für den Ruhestand fühlte ich mich noch deutlich zu jung. Ich hatte eine andere Spezies Verbrecher im Kopf. Leute, die nach außen eine weiße Weste trugen und mit Koks nichts zu tun hatten – außer, dass sie es vielleicht selbst gelegentlich konsumierten. Wer glaubt, diese Spezies sei weniger gefährlich als ein durchgeknallter Koksdealer, liegt total daneben. Die Gefahr steigt mit der Höhe des Einsatzes. Je mehr Geld im Spiel ist, desto entschlossener der Verteidigungsreflex. Das hatte Mossi spätestens bei seinem »Heizkissen« auf dem Parkdeck in Travemünde spüren müssen. Trotzdem war die wichtigste und gefährlichste Waffe bei diesen Geschäften der Verstand. Das war der entscheidende Unterschied.
Außenstehende würden dieses neue Betätigungsfeld wahrscheinlich als Inkasso-Geschäft bezeichnen, und in gewisser Weise war es das auch. Doch hier muss man genau differenzieren. Ein klassisches Inkas-so-Büro bekommt von einem Gläubiger den Auftrag, bei einem säumigen Schuldner Geld einzutreiben. Die schreiben einen Brief, dann einen nächsten und noch einen weiteren. Der Ton wird mit jedem Schreiben schärfer, bis sie irgendwann mit einer Klage drohen. Mitarbeiter eines solchen Inkassobüros fahren morgens zur Arbeit an ihren Schreibtisch und haben pünktlich Feierabend. Die Summen, um die es dabei geht, reichen von ein paar Euro für eine nicht bezahlte Stromrechnung bis hin zum Bankkredit, der nicht mehr bedient werden kann. Die Rechtslage ist meistens so eindeutig, dass der Schuldner irgendwann zahlt oder in die Insolvenz geschickt wird.
Alle anderen, die unter der Bezeichnung »Inkasso« ihr Unwesen treiben, sind schlicht kriminelle Abzocker.
Beide Geschäftsmodelle waren nichts für mich. Was mir vor-schwebte, würde ich eher als »Kapitaldienstleistung« bezeichnen: verschwundenes Geld für die rechtmäßigen Besitzer zurückholen. Wobei rechtmäßig auch Definitionssache ist. Denn in den meisten Fällen ging es um Schwarzgeld, sonst müsste kein privater Ermittler hinzugezogen werden. Die Sache war lukrativ. 20 Prozent der Summe, die ich zurückholte, wurden als Provision fällig. Ein hübsche Summe, wenn es wie bei einem meiner ersten Kunden um 2,5 Millionen Euro oder damals noch 35 Millionen Österreichische Schilling ging.
Diese Summe hatte ein Wiener Geschäftsmann einem Zürcher Makler anvertraut, damit er sie gewinnbringend in Immobilien investiert. Wäre er dabei erfolgreich, sollte noch mehr Geld kommen. Doch als er trotz mehrfacher Nachfragen nach einem halben Jahr nur ein paar offen-sichtlich gefälschte Verträge bekommen hatte, wurde er verständlicherweise nervös und schaltete mich ein. Viel hatte er gegen den Makler nicht in der Hand. Es gab nicht mal einen vernünftigen Vertrag. Eine Kündigung hatte der Schweizer nicht akzeptiert. Er hätte schon zu viel Aufwand in der Sache gehabt. »Sie haben ein Problem«, fasste ich zusammen. Er nickte.
Am liebsten wäre es ihm, wenn ich das Geld sofort komplett zu-rückhole. Doch ganz so einfach war das nicht, denn er hatte nur etwa die Hälfte der Summe bei der Einreise deklariert. Das roch nach Schwarzgeld, auch wenn er beteuerte, alles sei versteuert. Warum er dann trotzdem so viel Bargeld illegal in die Schweiz gebracht hatte, blieb mir ein Rätsel. Hätten sie ihn damit an der Grenze erwischt, wäre es teuer geworden. Einzahlen konnte er es bei keiner Bank, höchstens in ein Schließfach legen. Das alles wusste natürlich auch der Makler. Mein Auftraggeber hatte sich somit erpressbar gemacht.
Mossi und ich reisten nach Zürich, um Erkundigungen über den Makler einzuholen. Sein Büro lag in der Bahnhofstrasse. Die Mieten betragen hier pro Quadratmeter und Monat im Erdgeschoss etwa 1250 Franken – das ist europaweiter Rekord. Nur in Manhattan und Hongkong werden ähnliche Preise aufgerufen. Wir zogen ein paar Erkundigungen ein und begleiteten ihn nach Hause, ohne dass er es bemerkte. Auffällig war nur sein nagelneuer Ferrari Spider. Aber wer in der Lage ist, ein Büro in der Bahnhofstrasse zu finanzieren, wird sich auch einen Ferrari leisten können. Wir fanden heraus, dass er in vielen Vereinen und Verbänden im Vorstand saß. Uns war klar, warum. So macht man Bekanntschaften, die gut sind fürs Geschäft.
Gleichzeitig heuerte ich einen Mann an, der über ganz besondere Fähigkeiten verfügte – er war ein Charmeur, wie er im Bilderbuch steht. Damit meine ich keinen »Aufreißer«, sondern einen knapp 60-Jährigen mit weißen Haaren und ausgezeichneten Manieren, der eine ganz besondere Aufgabe hatte: Er sollte sich das Vertrauen der Sekretärin des Maklers erschleichen. Ich brauchte einen intimen Ein-blick in die Geschäfte des Mannes. Es gibt ein altes Sprichwort: »Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen.« Klingt abgedroschen, steckt aber viel Wahrheit drin. Ich war mir sicher, er würde längst nicht mehr die Vorsicht walten lassen, die erforderlich ist, wenn man sich nicht buchstabengetreu an die Gesetze hält. Es ist die Überheblichkeit eines erfolgreichen Betrügers. Er hält sich irgendwann für unangreifbar. Ein fataler Irrtum. Deswegen hatte ich mir den Makler auch genau vom Wiener beschreiben lassen. Ist er arrogant? Wie ist er im Umgang mit seinen Angestellten? »Da herrscht schon ein sehr dominanter Ton«, hatte der Wiener berichtet. Das spielte mir perfekt in die Karten. Schlecht wäre es dagegen gewesen, hätte er ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Dann wäre mir dieser Weg verschlossen geblieben. Es ist ein großer Fehler, die engsten Mitarbeiter schlecht zu behandeln, denn sie wissen einfach zu viel. Loyalität kauft man sich mit Freundlichkeit und Respekt. Und wenn man damit Probleme hat, sollte man zumindest beim Gehalt ein bisschen was drauflegen. Schmerzensgeld sozusagen.
Ein kleiner Kratzer beim Ausparken ist eine wunderbare Methode, ins Gespräch zu kommen. »Ich bestehe darauf, dass ich Sie für die Unannehmlichkeiten, die Ihnen dadurch entstehen, zum Essen einlade. Und ich dulde keine Widerrede«, sagte mein Charmeur mit seinem gewinnenden Lächeln, als er zusammen mit der Sekretärin des Maklers den relativ kleinen Schaden am Kotflügel ihres VW Polo begutachtete. »So schlimm ist das doch wirklich nicht«, lächelte sie zurück. »Ich bestehe aber darauf«, ließ mein Mann nicht locker. »Morgen Mittag?«
»Na gut, wenn Sie darauf bestehen.«
»Ich freue mich schon.«
Das »Drehbuch« für so ein Date ist wichtig. Er darf nicht zu viel von sich erzählen und schon gar nicht mit der Mein-Haus-mein-Auto-meine-Yacht-Nummer kommen. Das wäre absolut kontraproduktiv. Mit so einem Kerl arbeitete sie schließlich täglich zusammen. Er musste gut zuhören können und an den richtigen Stellen nachfragen. Wenn sie sich vom Chef schlecht behandelt fühlte, würde das irgendwann schon anklingen – und dann musste er nachhaken: »Verstehe ich nicht, auf mich machen Sie einen sehr zuverlässigen Eindruck.« Ein unverfängliches Kompliment, das sie dazu bringen sollte, noch mehr zu erzählen, ohne dass sie den Eindruck bekam, er würde sie aushorchen. Tat er ja auch nicht. Es war nur ein Kompliment.
Sie trafen sich in den folgenden Wochen öfter zum Lunch. Die Atmosphäre wurde lockerer, der Umgang vertrauter. Beim vierten Treffen kam sie mit erkennbar schlechter Laune. »Dieser Idiot«, schimpfte sie. »Der glaubt wohl, er kann sich alles erlauben. Ich bin doch nicht seine Leibeigene.« Sie kämpfte sichtbar mit den Tränen. Das war der richtige Zeitpunkt für den Angriff. »Schimpfen Sie ruhig, das tut gut. Ich bin auf Ihrer Seite.« Und dann erzählte sie, wie der Makler sie wegen eines kleinen Fehlers vor einem Geschäftspartner übel beleidigt hatte. »Wenn die dumme Kuh so viel im Kopf hätte wie in der Bluse, müsste ich mich nicht um alles selbst kümmern.«
»Das sollten Sie sich auf gar keinen Fall gefallen lassen«, unterstützte sie mein Mann.
»Was soll ich denn tun? Ihn anzeigen? Glauben Sie im Ernst, sein Geschäftspartner würde mich dabei unterstützen? So dreckig, wie der gelacht hat? Nie im Leben.«
»Schlagen Sie ihn mit seinen eigenen Waffen. Wenn ich Ihre Andeutungen bei unseren letzten Treffen richtig verstanden habe, gibt es da ein paar Dinge, die ihm richtig weh tun könnten.«
»Das können Sie mir glauben«, pflichtete sie ihm bei. »Wenn ich mal richtig auspacke, bekommt der Idiot jede Menge Ärger.«
»Dann tun Sie es doch ganz einfach.«
»Wie, ich soll zum Finanzamt gehen? So etwas habe ich noch nie gemacht.«
»Ich kann Ihnen dabei helfen. Ich kenne die richtigen Leute. Dabei würde sogar noch ein hübsches Sümmchen für Sie rausspringen.«
»Meinen Sie wirklich?«
»Sonst würde ich es Ihnen nicht vorschlagen.«
Damit hatten wir den Makler im Sack. Aus lauter Bequemlichkeit hatte der Esel immer wieder Unterlagen im Büro liegenlassen, die ganz klar belegten, dass bei einigen seiner Immobiliengeschäfte das Finanzamt deutlich zu kurz gekommen war. »In den nächsten Tagen«, sagte der Charmeur zur Sekretärin, »wird ein gewisser Dr. Berger bei Ihnen anrufen und um einen Termin bei ihrem Chef bitten. Geben Sie ihm einen.«
Ich bat Mossi, sich ein paar Tage nicht zu rasieren. Der grinste: »Muss ich wieder den bösen Buben spielen?«
»Könnte hilfreich sein.«
Ich schlüpfte in die Rolle des Dr. Berger aus Bayern und saß knapp zwei Wochen später in seinem Büro: »Wie sind Sie auf mich gekommen?«, fragte der Makler.
»Sie haben eine gute Internetseite«, antwortete ich.
Die Informationen, die wir von der Sekretärin bekommen hatten, waren gut, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und hatte des-wegen bei einem guten Bekannten in Zürich 250 000 Euro Bargeld deponiert, das uns unter Umständen helfen musste, den Makler aus der Reserve zu locken. Denn wenn er sich bereiterklärte, eine so große Menge Bargeld von einem Ausländer zu akzeptieren, war damit klar, dass seine Geschäfte nicht ganz sauber sein konnten. Warum? Ausländer bekamen in der Schweiz grundsätzlich ein Problem, wenn sie so viel Bargeld bei sich trugen.
Mossi, der durch seinen wilden Bartwuchs mittlerweile ziemlich verwegen aussah, blieb zunächst draußen.
Dr. Berger wollte Geld bei dem Makler anlegen und druckste ein bisschen rum. »Ich würde es gerne bar einzahlen.«
»Überhaupt kein Problem«, sagte er sofort. Er hatte also keine Skrupel, das Geld zu nehmen. Dass er seine Maske so schnell fallen lässt, hätte ich nicht erwartet.
»Sie können da nicht einfach rein«, hörte ich die Sekretärin durch die geschlossene Tür.
»Sie sehen doch, dass ich es kann«, antwortete Mossi, als er die Bürotür öffnete und sich einen Besucherstuhl schnappte. Das waren gleichzeitig auch die einzigen Worte, die er in diesem Büro sprach.
»Darf ich vorstellen? Mossi, einer meiner Mitarbeiter«, versuchte ich das große Fragezeichen im Gesicht meines Gegenübers aufzulösen und damit gleichzeitig ein neues zu platzieren. »Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht promoviert. Sie müssen mich also nicht mehr mit Doktor anreden. Beim Nachnamen können Sie es halten, wie Sie wollen. Tatsächlich bin ich hier, weil mich ein Wiener Geschäftsmann, den Sie sicher gut kennen, gebeten hat, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Wollen Sie es hören?«
»Verlassen Sie sofort mein Büro«, forderte er mich auf.
»Ich glaube nicht, dass Sie in der Situation sind, Forderungen zu stellen«, entgegnete ich und erinnerte ihn an ein paar seiner unsauberen Immobiliengeschäfte, von denen wir über die Sekretärin erfahren hatten.
Es ist völlig normal, dass in einer solchen Situation eine kleine Pause entsteht. Eben hatte er noch geglaubt, der gutmütige Dr. Berger aus Bayern wolle sein Geld bei ihm verbrennen, nur um jetzt realisieren zu müssen, dass er in die Defensive gerutscht war – außerdem in Unterzahl.
Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie sich die Mimik in solchen Situationen verändert. Auch die Körperhaltung. Plötzlich sitzt ein anderer Mensch auf der anderen Seite des Schreibtisches. Eher unsicher, sicher auch ängstlich, auf keinen Fall aber gönnerhaft und siegessicher. Der Makler war gedanklich gerade eben aus seinem Ferrari Spider in einen Trabi umgestiegen. So eine Situation muss man ausnutzen.
»Ich schlage Ihnen vor, Sie überweisen ohne weitere Formalitäten 2,5 Millionen Euro an meinen Auftraggeber, und die Sache ist aus der Welt.«
Jetzt druckste er: »Aber wer garantiert mir, dass die Sache mit dem Wiener dann wirklich aus der Welt ist?«
»Ich. Und das gebe ich Ihnen auch schriftlich.« Ich zog einen Zettel aus der Tasche, den der Wiener unterschrieben hatte.
»Und woher soll ich wissen, dass das kein blöder Trick ist?« Ein letzter Versuch seinerseits.
»Glauben Sie mir einfach. Eine Wahl haben Sie ohnehin nicht.«
Drei Tage später war das Geld bei dem Wiener auf dem Konto. Ganz ungetrübt war die Freude nicht, weil es danach noch einen längeren Schriftverkehr mit den Finanzbehörden gegeben hatte. Die Sekretärin buchte von ihrem Honorar erst einmal eine längere Fernreise und legte dem Makler noch am selben Tag die Kündigung auf den Tisch.
Um dieses Geschäftsmodell weiter auszubauen, verfeinerte ich meine Methoden, denn so einfach wie bei dem Wiener und seinem Zürcher Geschäftsmann war es nicht immer. In dem Fall war ganz klar, wo das Geld war und vor allem, wo derjenige war, der es hatte. Wer aber ein paar Millionen, gerne auch im zweistelligen Bereich, verschwinden lassen hatte, setzte sich gerne ab, um fernab der Heimat ein sorgenfreies Leben an exotischen Gestaden zu führen. Diese Leute musste man dann erst einmal finden. So kam ich auf die Idee mit dem Kopfgeld. Ich überzeugte meine Auftraggeber, dass Geld Zungen lockert und sie zusätzlich zu meiner Provision noch einen hohen Betrag zur Verfügung stellen mussten, den ich als Belohnung für Hinweise auf den Aufenthaltsort der gesuchten Person aussetzen konnte. Ein fast todsicheres System, wie sich schnell herausstellen sollte. Und dazu noch absolut legal.
Autoren von "Gefahr ist mein Beruf"
Bücher von Josef Resch