05.01.2025 - Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern
Bernd Stegemann:
Noch gestern wollten alle Grün sein. Heute gilt die Partei als Symbol für
den Hochmut, der vor dem Fall kommt. Die Grünen scheitern und dieses Scheitern
ist ein Ausdruck für die Krise unserer Gesellschaft. Die Moral des gebildeten
Bürgers hat abgewirtschaftet, allzu oft tritt sein Egoismus hervor, sagt Bernd
Stegemann: Man ist für Migration und lebt in den teuren Vierteln der Stadt. Man
predigt Flugscham und ist bereits um die ganze Welt geflogen. Stegemann
analysiert die existenziellen Widersprüche der Grünen, die als bürgerliche
Milieupartei keinen Weg zur ökologischen Politik finden. Doch ihr Scheitern ist
kein Grund zur Freude. Denn es würde um die Welt besser bestellt sein, wenn die
Grünen ihren Hochmut überwinden könnten, und ihren „grünen“ Auftrag ernst nehmen
würden.
Das Grüne Weltbild dominiert den vorpolitischen Raum, da es als unideologisch
und darum alternativlos gut und vernünftig gilt. Der Wahlspruch der Grünen in
ihrer Gründungsphase der 1980er Jahre brachte dieses Selbstbewusstsein auf den
Punkt: „Nicht links, nicht rechts, sondern vorn.“ Seitdem beherrschen die Grünen
die Produktion von ideologischen Wahrheiten, die nicht als Ideologie erscheinen.
Sie sind zu Meistern in der Durchsetzung ihrer Ideologie geworden, da sie
verstanden haben, dass eine Ideologie umso mächtiger ist, je weniger sie als
Ideologie erkannt wird. Doch seit einigen Jahren entstehen Risse in diesem
Bollwerk. Eine Ideologie verliert ihre Macht, wenn die Interessen der Eliten
sichtbar werden. Wer dabei erwischt wird, wie er Wasser predigt und Wein trinkt,
weckt Argwohn an seiner Legitimation. Die Grünen Milieus sind inzwischen für
ihre Doppelmoral berüchtigt. Man predigt grenzenlose Migration und wohnt in den
teuren Vierteln der Stadt, wo sich kein Migrant eine Wohnung leisten kann. Man
lobt die öffentlichen Schulen für ihre Arbeit der Integration und schickt die
eigenen Kinder in Privatschulen. Man verlangt staatliche Meldestellen gegen
„Hass und Hetze“ und geht davon aus, dass dadurch die politischen Gegner
verfolgt werden. Man erhöht durch CO2-Steuern die Energiepreise und gehört
selbst zu den höheren Einkommensklassen, denen das wenig ausmacht.
Diese Fälle von Doppelmoral sind aber nicht nur individuelle Fehler eines
ansonsten moralisch intakten Milieus, sondern sie bilden den Kern der
Machtsicherung. Die Methode, mit der Grüne Eliten ihre Meinungshoheit
verteidigen, besteht in der strategischen Anwendung von doppelten Standards. Der
eigenen Meinung wird eine kategorisch höhere Wahrheit zugemessen als allen
anderen. Alltäglich zeigen sich die doppelten Maßstäbe bei der Bewertung von
Gefühlen. Die Grünen Gefühle von Klimapanik und Weltuntergangsangst sind
Ausdruck einer höheren Moral, während die Ängste vor unkontrollierter Migration
und unbezahlbaren Lebenskosten einen schlechten Charakter beweisen. Es soll also
eine gute Angst vor dem Ende der Welt geben, während die schlechten Menschen
sich vor dem Ende des Monats fürchten, wo ihnen das Geld ausgeht. Aus diesen
doppelten Standards folgt die absurde Politik, die zwischen Großmachtphantasien
und kleinmütiger Verzagtheit taumelt: Das Weltklima kann von Deutschland aus
gerettet werden, die Migration ist aber an deutschen Grenzen nicht zu
kontrollieren.
Um diese Hierarchie der Meinungen und Gefühle durchzusetzen, haben Grüne
Eliten die Methoden des Kulturkampfes perfektioniert. Im Kulturkampf wird aus
einer sachlichen Differenz eine moralische Frage. Die andere Meinung ist nicht
eine andere Sicht auf die Welt, sondern sie ist moralisch verwerflich, da sie
nicht der vernünftigen Meinung der Grünen folgt. Und der andere Mensch hat nicht
eine andere Meinung, sondern er ist moralisch böse, da er nicht die guten Ängste
der Grünen teilt. Im Kulturkampf wird zu jedem sachlichen Widerspruch eine
zweite Ebene eingeführt. Auf dieser herrscht die Legitimation von höherer Moral
und wahrer Vernunft.
Wer in einer Debatte den Sprung auf diese Ebene schafft, muss nicht
mehr auf die sachlichen Argumente reagieren, sondern kann den Gegner als
schlechten Menschen diskreditieren. Wer im Kulturkampf die Hoheit darüber hat,
was als gut und was als böse gilt, beherrscht die Debatten. Die Folgeprobleme
für die Demokratie sind jedoch eklatant. Denn je häufiger Konflikte im
Kulturkampf enden, desto mehr rücken sachliche Entscheidungen in den
Hintergrund. Die negativen Folgen für eine Demokratie bestehen darin, dass
Kompromisse verhindert werden, da die gute Seite ihren Willen für unverhandelbar
hält. Wer sich selbst für moralisch überlegen wähnt, bewertet die andere Meinung
nicht als alternative Möglichkeit, sondern als Böse. Und mit dem Bösen dürfen
keine Kompromisse gemacht werden. Die gerade von Grünen eifrig bewachte
Brandmauer ist die zur Metapher geronnene Unlogik des Kulturkampfes.
Sachfragen zu Moralfragen zu erklären, gehört zur Grünen DNA. Wer
Atomkraft befürwortet, dem wird vorgeworfen, er wolle seine Kinder in eine
atomar verseuchte Zukunft schicken. Wer irreguläre Migration problematisiert,
wird zum Rassisten erklärt, der Fremde unter Generalverdacht stellt. Wer das
generische Maskulinum nutzt, gilt als Reaktionär, der Frauen unsichtbar machen
will. In allen Fällen springt die Debatte von den rationalen Argumenten auf eine
Ebene, in der die Integrität des Gegners in Frage gestellt wird. Wer als Rassist
oder Nazi beschimpft wird, kann nicht mehr in der Sache argumentieren, sondern
muss sich erst selbst von dem Vorwurf befreien.
Den Kulturkampf zur allgegenwärtigen politischen Waffe gemacht zu haben,
gehört zu den Erfolgsrezepten der Grünen. Und eben dieser Erfolg wendet sich nun
gegen die Grünen selbst. Die Wut, die den Grünen entgegenschlägt, ist ein
Befreiungsschlag gegen ihre Dominanz der überlegenen Moral und zugleich ein
Nachahmungseffekt, der die gleiche Waffe aus der entgegengesetzten politischen
Richtung anwendet.
Ob die Grünen sich von den Quellen ihres Erfolgs als Protestpartei befreien
können und zu der ökologischen Partei werden, die sie behaupten zu sein,
erscheint heute unwahrscheinlicher denn je. Sollte es ihnen aber nicht gelingen,
wäre es ein Verlust für die ökologische Transformation. Man möchte darum der
aktuellen Partei zurufen, dass ihre historische Aufgabe wichtiger ist als ihre
Grüne Befindlichkeit, und dass die Methoden des Kulturkampfes für eine
Protestpartei die willkommene Aufmerksamkeit generieren mögen, dass aber diese
Methoden für eine ökologische Politik schädlich sind.
Autoren von "Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern"
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05.01.2025 - Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern
Noch gestern wollten alle Grün sein. Heute gilt die Partei als Symbol für den Hochmut, der vor dem Fall kommt. Die Grünen scheitern und dieses Scheitern ist ein Ausdruck für die Krise unserer Gesellschaft. Die Moral des gebildeten Bürgers hat abgewirtschaftet, allzu oft tritt sein Egoismus hervor, sagt Bernd Stegemann: Man ist für Migration und lebt in den teuren Vierteln der Stadt. Man predigt Flugscham und ist bereits um die ganze Welt geflogen. Stegemann analysiert die existenziellen Widersprüche der Grünen, die als bürgerliche Milieupartei keinen Weg zur ökologischen Politik finden. Doch ihr Scheitern ist kein Grund zur Freude. Denn es würde um die Welt besser bestellt sein, wenn die Grünen ihren Hochmut überwinden könnten, und ihren „grünen“ Auftrag ernst nehmen würden.
Das Grüne Weltbild dominiert den vorpolitischen Raum, da es als unideologisch und darum alternativlos gut und vernünftig gilt. Der Wahlspruch der Grünen in ihrer Gründungsphase der 1980er Jahre brachte dieses Selbstbewusstsein auf den Punkt: „Nicht links, nicht rechts, sondern vorn.“ Seitdem beherrschen die Grünen die Produktion von ideologischen Wahrheiten, die nicht als Ideologie erscheinen. Sie sind zu Meistern in der Durchsetzung ihrer Ideologie geworden, da sie verstanden haben, dass eine Ideologie umso mächtiger ist, je weniger sie als Ideologie erkannt wird.
Doch seit einigen Jahren entstehen Risse in diesem Bollwerk. Eine Ideologie verliert ihre Macht, wenn die Interessen der Eliten sichtbar werden. Wer dabei erwischt wird, wie er Wasser predigt und Wein trinkt, weckt Argwohn an seiner Legitimation. Die Grünen Milieus sind inzwischen für ihre Doppelmoral berüchtigt. Man predigt grenzenlose Migration und wohnt in den teuren Vierteln der Stadt, wo sich kein Migrant eine Wohnung leisten kann. Man lobt die öffentlichen Schulen für ihre Arbeit der Integration und schickt die eigenen Kinder in Privatschulen. Man verlangt staatliche Meldestellen gegen „Hass und Hetze“ und geht davon aus, dass dadurch die politischen Gegner verfolgt werden. Man erhöht durch CO2-Steuern die Energiepreise und gehört selbst zu den höheren Einkommensklassen, denen das wenig ausmacht.
Diese Fälle von Doppelmoral sind aber nicht nur individuelle Fehler eines ansonsten moralisch intakten Milieus, sondern sie bilden den Kern der Machtsicherung. Die Methode, mit der Grüne Eliten ihre Meinungshoheit verteidigen, besteht in der strategischen Anwendung von doppelten Standards. Der eigenen Meinung wird eine kategorisch höhere Wahrheit zugemessen als allen anderen. Alltäglich zeigen sich die doppelten Maßstäbe bei der Bewertung von Gefühlen. Die Grünen Gefühle von Klimapanik und Weltuntergangsangst sind Ausdruck einer höheren Moral, während die Ängste vor unkontrollierter Migration und unbezahlbaren Lebenskosten einen schlechten Charakter beweisen. Es soll also eine gute Angst vor dem Ende der Welt geben, während die schlechten Menschen sich vor dem Ende des Monats fürchten, wo ihnen das Geld ausgeht. Aus diesen doppelten Standards folgt die absurde Politik, die zwischen Großmachtphantasien und kleinmütiger Verzagtheit taumelt: Das Weltklima kann von Deutschland aus gerettet werden, die Migration ist aber an deutschen Grenzen nicht zu kontrollieren.
Um diese Hierarchie der Meinungen und Gefühle durchzusetzen, haben Grüne Eliten die Methoden des Kulturkampfes perfektioniert. Im Kulturkampf wird aus einer sachlichen Differenz eine moralische Frage. Die andere Meinung ist nicht eine andere Sicht auf die Welt, sondern sie ist moralisch verwerflich, da sie nicht der vernünftigen Meinung der Grünen folgt. Und der andere Mensch hat nicht eine andere Meinung, sondern er ist moralisch böse, da er nicht die guten Ängste der Grünen teilt. Im Kulturkampf wird zu jedem sachlichen Widerspruch eine zweite Ebene eingeführt. Auf dieser herrscht die Legitimation von höherer Moral und wahrer Vernunft.
Wer in einer Debatte den Sprung auf diese Ebene schafft, muss nicht mehr auf die sachlichen Argumente reagieren, sondern kann den Gegner als schlechten Menschen diskreditieren. Wer im Kulturkampf die Hoheit darüber hat, was als gut und was als böse gilt, beherrscht die Debatten. Die Folgeprobleme für die Demokratie sind jedoch eklatant. Denn je häufiger Konflikte im Kulturkampf enden, desto mehr rücken sachliche Entscheidungen in den Hintergrund. Die negativen Folgen für eine Demokratie bestehen darin, dass Kompromisse verhindert werden, da die gute Seite ihren Willen für unverhandelbar hält. Wer sich selbst für moralisch überlegen wähnt, bewertet die andere Meinung nicht als alternative Möglichkeit, sondern als Böse. Und mit dem Bösen dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Die gerade von Grünen eifrig bewachte Brandmauer ist die zur Metapher geronnene Unlogik des Kulturkampfes.
Sachfragen zu Moralfragen zu erklären, gehört zur Grünen DNA. Wer Atomkraft befürwortet, dem wird vorgeworfen, er wolle seine Kinder in eine atomar verseuchte Zukunft schicken. Wer irreguläre Migration problematisiert, wird zum Rassisten erklärt, der Fremde unter Generalverdacht stellt. Wer das generische Maskulinum nutzt, gilt als Reaktionär, der Frauen unsichtbar machen will. In allen Fällen springt die Debatte von den rationalen Argumenten auf eine Ebene, in der die Integrität des Gegners in Frage gestellt wird. Wer als Rassist oder Nazi beschimpft wird, kann nicht mehr in der Sache argumentieren, sondern muss sich erst selbst von dem Vorwurf befreien.
Den Kulturkampf zur allgegenwärtigen politischen Waffe gemacht zu haben, gehört zu den Erfolgsrezepten der Grünen. Und eben dieser Erfolg wendet sich nun gegen die Grünen selbst. Die Wut, die den Grünen entgegenschlägt, ist ein Befreiungsschlag gegen ihre Dominanz der überlegenen Moral und zugleich ein Nachahmungseffekt, der die gleiche Waffe aus der entgegengesetzten politischen Richtung anwendet.
Ob die Grünen sich von den Quellen ihres Erfolgs als Protestpartei befreien können und zu der ökologischen Partei werden, die sie behaupten zu sein, erscheint heute unwahrscheinlicher denn je. Sollte es ihnen aber nicht gelingen, wäre es ein Verlust für die ökologische Transformation. Man möchte darum der aktuellen Partei zurufen, dass ihre historische Aufgabe wichtiger ist als ihre Grüne Befindlichkeit, und dass die Methoden des Kulturkampfes für eine Protestpartei die willkommene Aufmerksamkeit generieren mögen, dass aber diese Methoden für eine ökologische Politik schädlich sind.
Autoren von "Wie Grüne Eliten eine ökologische Politik verhindern"