An Universitäten werden zunehmend Professorinnen und Professoren
entlassen oder von hohen Ämtern degradiert, weil sie irgendwie stören. Aber wann
stört ein Professor? In den Medien liest man von missliebigen Äußerungen,
falschen Haltungen, Mobbing oder Machtmissbrauch. Das ist aber nur ein Teil der
Geschichte. In ihrem Buch „Wer stört, muss weg!“ blicken Heike Egner und Anke
Uhlenwinkel auf die Strukturen hinter den Fällen und zeigen, dass die
Entlassungen immer wieder bestimmte Personengruppen treffen. Anstelle von
Leistungsorientierung setzt sich zunehmend ein „Recht auf Zertifikat“ durch.
Anstelle von Wissenschaftsfreiheit herrscht zunehmend ein allgegenwärtiger
Druck, Forschung nur noch im Sinne bestimmter politischer Ideologien zu
betreiben. Auf der Grundlage ihrer empirischen Erhebungen präsentieren Heike
Egner und Anke Uhlenwinkel besorgniserregende Befunde und erinnern an die einst
unerschütterlich scheinenden Grundsätze von freier Forschung und freier Lehre an
unseren Universitäten.
Die Konzentration auf Professorinnen und
Professoren in einer Studie über die Entlassung von Wissenschaftlern findet ihre
inhaltliche Begründung in deren herausragender Stellung im Wissenschaftsbetrieb.
Obwohl die Wissenschaftsfreiheit vom Grundsatz her ein Jedermannsrecht
darstellt, von daher also grundsätzlich jeder, der eigenverantwortlich
wissenschaftlich tätig ist oder werden will, unter ihren Schutzbereich fällt,
zeigen sich im universitären Alltag jene Machtstrukturen, wie sie auch in
anderen stark hierarchisch organisierten Institutionen üblicherweise vorkommen.
Professoren stehen in dieser Hierarchie aufgrund ihrer herausgehobenen Position
an einer Stelle, bei der davon auszugehen ist, dass sie genau diejenigen sind,
in deren Arbeit sich das höchste Maß an Wissenschaftsfreiheit realisiert. Das
plötzliche Einsetzen oder die Zunahme von Entlassungen auf dieser
Hierarchieebene kann daher als wichtiger Indikator für Eingriffe in das
Wissenschaftssystem verstanden werden. Vor dem Hintergrund des besonderen
Schutzes der Wissenschaft bräuchte es erhebliche Gründe für eine Entlassung,
ebenso wie adäquate, institutionelle Prüfverfahren unumgänglich sind, bevor eine
solch folgenschwere Entscheidung getroffen und umgesetzt wird. Wir können mit
unserer Studie zeigen, dass beide Notwendigkeiten in den von uns beobachteten
Fällen nicht eingehalten wurden und erachten dies als hochbrisante Vorgänge,
deren mittelbaren Folgen die Wissenschaft insgesamt und – aufgrund des
spezifischen Auftrags der Wissenschaft – auch die Gesellschaft allgemein
betrifft.
Die Analyse der leichtfertigen Entlassung von Professorinnen
und Professoren wirkt in dieser Hinsicht wie ein Brennglas, in dem sich die
rapide Veränderung der demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft
offenbart. Dabei zeigt sich eine wechselseitige Dynamik: Ohne eine bereits auf
breiter Front einsetzende und an Fahrt gewinnende Erosion wesentlicher
Grundsätze wäre diese Art von Umgang mit Professoren nicht möglich geworden.
Gleichzeitig beschleunigt die Entlassung gerade von Professoren genau diese
Erosion, da sie für alle – aber insbesondere in der Wissenschaft selbst –
markante Signale setzt, dass nun wirklich andere Zeiten angebrochen sind. In der
Zusammenschau aller von uns beobachteten Fälle lassen sich in der kurzen Zeit
von nur sieben Jahren seitdem die Entlassung von Professorinnen und Professoren
überraschend deutlich zugenommen hat, zwei markante Phasen unterscheiden. Phase
I wirkt dabei als eine Vorbereitung für Phase II, die ohne die Etablierung der
Praxis der leichtfertigen Entlassung eines Professors in Phase I so sicherlich
nicht möglich gewesen wäre. Allen Entlassungen oder Degradierungen gemeinsam
sind die verblüffende Willkür und eine tiefgreifende Missachtung
rechtsstaatlicher Prinzipien in jenen Verfahren, die der Entfernung vorausgehen.
In beiden Phasen spielen zudem die Medien eine wichtige, jedoch qualitativ ganz
unterschiedliche Rolle; entlang der Medienbegleitung leichtfertiger Entlassungen
von Professoren lassen sich so auch die eklatanten Veränderungen im
Selbstverständnis der Medien gerade der vergangenen Jahre nachzeichnen. Insofern
blicken wir mit unserem Fokus auf die Entfernung von Professorinnen und
Professoren aus den Hochschulen zwar auf einen sehr kleinen Ausschnitt der
Gesellschaft, an dem sich jedoch das große Bild der aktuellen Umbrüche der
Gesellschaft kristallisiert.
Bei der Frage danach, wer entlassen wird,
fanden wir die überraschendsten Ergebnisse in den sogenannten
sozialstatistischen Merkmalen, also Geschlecht, Alter, Herkunft und so weiter.
Hier zeigen sich deutliche Auffälligkeiten: mehr als die Hälfte (55 Prozent) der
in der Studie beobachteten Fälle betreffen Frauen; ebenfalls gut die Hälfte (53
Prozent) sind sogenannte Erstakademiker, entstammen also einer Familie ohne
akademischen Hintergrund; der überwiegende Anteil der Betroffenen gehört der
höheren bis höchsten beruflichen Altersgruppe an. In Österreich und der Schweiz
spielt zudem der Ausländerstatus eine Rolle.
In der Zusammenschau
verweisen die Ergebnisse der Studie weniger auf eine aktuelle, politisch
motivierte Dynamik, denn auf einen gesellschaftlich-strukturellen
Problemkomplex, der sich nun auch in dem neuen Phänomen der leichtfertigen
Entlassung von Professorinnen und Professoren zeigt. Dass dies gerade in eine
Zeit fällt, in der eine politisch und medial beförderte Tendenz zur
Stigmatisierung und Ausgrenzung jener, die – aus welchem Grund auch immer – aus
dem, was gerade als normal ausgerufen wird, herausstechen, mag zwar wenig
verwundern, erschreckend bleibt es dennoch. In den vergangenen Jahrzehnten gab
es vermutlich nie eine größere Akzeptanz in der Gesellschaft für die Sentenz
»Wer stört, muss weg«. Dass es nun gerade Bildungsaufsteiger sein sollen, die
offenbar die »heilige Ordnung« der Universitäten dadurch stören, dass sie ihre
biographischen Erfahrungen umsetzen, indem sie universitäre Bildung im
meritokratischen Sinne verstehen, mithin in ihrem beruflichen Umfeld auf Ringen
um Erkenntnis, auf Leistung sowie Eigenständigkeit im Denken bestehen, klingt
fast zynisch. Für den Funktionswechsel hin zu einer Wissenschaft, die ihr
Kerngeschäft – die Suche nach Wahrheit – zugunsten von ideologischem Aktivismus
und Legitimierung politischen Handelns preisgibt, mag dies wie eine notwendige
Reinigung erscheinen. Im Sinne einer Wissenschaft, die ansonsten unverfügbares –
und daher für die Entwicklung einer Gesellschaft notwendiges – Wissen
hervorbringen soll, ist dies ein kaum wiedergutzumachender Verlust.
15.12.2024 - Wer stört, muss weg
An Universitäten werden zunehmend Professorinnen und Professoren entlassen oder von hohen Ämtern degradiert, weil sie irgendwie stören. Aber wann stört ein Professor? In den Medien liest man von missliebigen Äußerungen, falschen Haltungen, Mobbing oder Machtmissbrauch. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. In ihrem Buch „Wer stört, muss weg!“ blicken Heike Egner und Anke Uhlenwinkel auf die Strukturen hinter den Fällen und zeigen, dass die Entlassungen immer wieder bestimmte Personengruppen treffen. Anstelle von Leistungsorientierung setzt sich zunehmend ein „Recht auf Zertifikat“ durch. Anstelle von Wissenschaftsfreiheit herrscht zunehmend ein allgegenwärtiger Druck, Forschung nur noch im Sinne bestimmter politischer Ideologien zu betreiben. Auf der Grundlage ihrer empirischen Erhebungen präsentieren Heike Egner und Anke Uhlenwinkel besorgniserregende Befunde und erinnern an die einst unerschütterlich scheinenden Grundsätze von freier Forschung und freier Lehre an unseren Universitäten.
Die Konzentration auf Professorinnen und Professoren in einer Studie über die Entlassung von Wissenschaftlern findet ihre inhaltliche Begründung in deren herausragender Stellung im Wissenschaftsbetrieb. Obwohl die Wissenschaftsfreiheit vom Grundsatz her ein Jedermannsrecht darstellt, von daher also grundsätzlich jeder, der eigenverantwortlich wissenschaftlich tätig ist oder werden will, unter ihren Schutzbereich fällt, zeigen sich im universitären Alltag jene Machtstrukturen, wie sie auch in anderen stark hierarchisch organisierten Institutionen üblicherweise vorkommen. Professoren stehen in dieser Hierarchie aufgrund ihrer herausgehobenen Position an einer Stelle, bei der davon auszugehen ist, dass sie genau diejenigen sind, in deren Arbeit sich das höchste Maß an Wissenschaftsfreiheit realisiert. Das plötzliche Einsetzen oder die Zunahme von Entlassungen auf dieser Hierarchieebene kann daher als wichtiger Indikator für Eingriffe in das Wissenschaftssystem verstanden werden. Vor dem Hintergrund des besonderen Schutzes der Wissenschaft bräuchte es erhebliche Gründe für eine Entlassung, ebenso wie adäquate, institutionelle Prüfverfahren unumgänglich sind, bevor eine solch folgenschwere Entscheidung getroffen und umgesetzt wird. Wir können mit unserer Studie zeigen, dass beide Notwendigkeiten in den von uns beobachteten Fällen nicht eingehalten wurden und erachten dies als hochbrisante Vorgänge, deren mittelbaren Folgen die Wissenschaft insgesamt und – aufgrund des spezifischen Auftrags der Wissenschaft – auch die Gesellschaft allgemein betrifft.
Die Analyse der leichtfertigen Entlassung von Professorinnen und Professoren wirkt in dieser Hinsicht wie ein Brennglas, in dem sich die rapide Veränderung der demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft offenbart. Dabei zeigt sich eine wechselseitige Dynamik: Ohne eine bereits auf breiter Front einsetzende und an Fahrt gewinnende Erosion wesentlicher Grundsätze wäre diese Art von Umgang mit Professoren nicht möglich geworden. Gleichzeitig beschleunigt die Entlassung gerade von Professoren genau diese Erosion, da sie für alle – aber insbesondere in der Wissenschaft selbst – markante Signale setzt, dass nun wirklich andere Zeiten angebrochen sind. In der Zusammenschau aller von uns beobachteten Fälle lassen sich in der kurzen Zeit von nur sieben Jahren seitdem die Entlassung von Professorinnen und Professoren überraschend deutlich zugenommen hat, zwei markante Phasen unterscheiden. Phase I wirkt dabei als eine Vorbereitung für Phase II, die ohne die Etablierung der Praxis der leichtfertigen Entlassung eines Professors in Phase I so sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Allen Entlassungen oder Degradierungen gemeinsam sind die verblüffende Willkür und eine tiefgreifende Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien in jenen Verfahren, die der Entfernung vorausgehen. In beiden Phasen spielen zudem die Medien eine wichtige, jedoch qualitativ ganz unterschiedliche Rolle; entlang der Medienbegleitung leichtfertiger Entlassungen von Professoren lassen sich so auch die eklatanten Veränderungen im Selbstverständnis der Medien gerade der vergangenen Jahre nachzeichnen. Insofern blicken wir mit unserem Fokus auf die Entfernung von Professorinnen und Professoren aus den Hochschulen zwar auf einen sehr kleinen Ausschnitt der Gesellschaft, an dem sich jedoch das große Bild der aktuellen Umbrüche der Gesellschaft kristallisiert.
Bei der Frage danach, wer entlassen wird, fanden wir die überraschendsten Ergebnisse in den sogenannten sozialstatistischen Merkmalen, also Geschlecht, Alter, Herkunft und so weiter. Hier zeigen sich deutliche Auffälligkeiten: mehr als die Hälfte (55 Prozent) der in der Studie beobachteten Fälle betreffen Frauen; ebenfalls gut die Hälfte (53 Prozent) sind sogenannte Erstakademiker, entstammen also einer Familie ohne akademischen Hintergrund; der überwiegende Anteil der Betroffenen gehört der höheren bis höchsten beruflichen Altersgruppe an. In Österreich und der Schweiz spielt zudem der Ausländerstatus eine Rolle.
In der Zusammenschau verweisen die Ergebnisse der Studie weniger auf eine aktuelle, politisch motivierte Dynamik, denn auf einen gesellschaftlich-strukturellen Problemkomplex, der sich nun auch in dem neuen Phänomen der leichtfertigen Entlassung von Professorinnen und Professoren zeigt. Dass dies gerade in eine Zeit fällt, in der eine politisch und medial beförderte Tendenz zur Stigmatisierung und Ausgrenzung jener, die – aus welchem Grund auch immer – aus dem, was gerade als normal ausgerufen wird, herausstechen, mag zwar wenig verwundern, erschreckend bleibt es dennoch. In den vergangenen Jahrzehnten gab es vermutlich nie eine größere Akzeptanz in der Gesellschaft für die Sentenz »Wer stört, muss weg«. Dass es nun gerade Bildungsaufsteiger sein sollen, die offenbar die »heilige Ordnung« der Universitäten dadurch stören, dass sie ihre biographischen Erfahrungen umsetzen, indem sie universitäre Bildung im meritokratischen Sinne verstehen, mithin in ihrem beruflichen Umfeld auf Ringen um Erkenntnis, auf Leistung sowie Eigenständigkeit im Denken bestehen, klingt fast zynisch. Für den Funktionswechsel hin zu einer Wissenschaft, die ihr Kerngeschäft – die Suche nach Wahrheit – zugunsten von ideologischem Aktivismus und Legitimierung politischen Handelns preisgibt, mag dies wie eine notwendige Reinigung erscheinen. Im Sinne einer Wissenschaft, die ansonsten unverfügbares – und daher für die Entwicklung einer Gesellschaft notwendiges – Wissen hervorbringen soll, ist dies ein kaum wiedergutzumachender Verlust.
Autoren von "Wer stört, muss weg"
Bücher von Heike Egner