Anders als in ihrem
Herkunftsland töten die Clans der italienischen Mafia hierzulande nur selten.
Sie bleiben nahezu unsichtbar. Ihre Waffe ist Geld, ihr Ziel die
gesellschaftlichen Institutionen. Gerade deswegen bilden sie ein immenses Risiko
für ganz Europa, zeigt der Journalist Sandro Mattioli in seinem neuen Buch
„Germafia. Wie die Mafia Deutschland
übernimmt“. Mattioli hat sich vor vielen Jahren auf den Weg gemacht, um
die große Gefahr zu ergründen, die von Mafiaclans in Deutschland, Österreich und
der Schweiz ausgeht. Aus zahlreichen Gesprächen mit
Betroffenen, Mafia-Aussteigern, Polizisten und Staatsanwälten weiß der
Journalist und Mafia-Experte, dass die Mafiosi das „ahnungslose Deutschland“ als
ihre Beute sehen und längst begonnen haben, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik
gezielt zu unterwandern. Ein Auszug.
Der
Berater kam mit dem Mittelsmann zur Tür herein. Er trug einen Anzug von Hugo
Boss, das war schnell zu erkennen. Der Berater schüttelte mir die Hand, ich
begrüßte auch den Mittelsmann und wir setzten uns an den massiven Holztisch in
der Mitte des Besprechungszimmers. Er schaute mich erwartungsvoll an, mit
offenem Blick. Ich war verwundert, hatte ich doch erwartet, zunächst Argwohn zu
begegnen oder Skepsis. Ich brauchte nicht lange, den Berater zu überzeugen,
etwas Small Talk, und schon waren wir beim Thema. Der Berater fühlte sich
offensichtlich wohl, lehnte sich entspannt zurück, redete frei von der Leber
weg. Er werde gerufen, wenn es Probleme gebe, wenn seine Expertise benötigt
werde. Er hatte eine Ausbildung im Druckbereich gemacht und sich dann
spezialisiert. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, wie kompetent er war, und
wenn jemand Bedarf hatte, fand er einen Weg, den Berater zu kontaktieren. Der
Berater stand nicht einfach im Telefonbuch oder in Firmenverzeichnissen, dazu
war seine Kundschaft zu speziell. Aber wer wollte, bekam seine Telefonnummer,
irgendwoher. Und dann klingelte das Telefon des Beraters, ob er nach Mailand
kommen könne oder Rom oder wohin auch immer.
Nach
einiger Zeit zog ich mein Portemonnaie aus der Tasche und legte einen
Fünfzig-Euro-Schein auf den Tisch. »Woran würde man erkennen, wenn dieser Schein
nicht echt wäre?« Der Berater zog den Schein durch die Finger, legte ihn auf den
Tisch und strich ihn flach. Dann erklärte er mir, wann welche Farbschicht
aufgetragen würde, dass manche das Wasserzeichen mit Fett oder einem Öl in das
Papier brächten, dass das aber nicht professionell sei. Auch wenn er eine
spezielle Kundschaft hatte: Professionell zu arbeiten war für den Berater das A
und O. Bei den alten Zwanzigern sei unter dem Perlglanzstreifen keine Farbe
gewesen, bei den neuen Zwanzig-Euro-Scheinen dagegen schon. Ich hatte Geld noch
nie so betrachtet. Wie es hergestellt wurde, welche Arbeitsschritte nötig waren.
Der Berater startete einen wohlstrukturierten Monolog, nach 15 Minuten hatte ich
das Gefühl, bestens informiert zu sein. »Das Papier bekommen Sie in China, aber
die Mindestbestellmenge sind hundert Tonnen«, sagte er. »Damals, als ich dort
war, kostete das Papier 80.000 Euro.« Auch der Mittelsmann hörte interessiert
zu. »Wie viele Scheine kann man daraus dann machen?«, fragte er. »1000
Hundert-Dollar-Scheine wiegen etwas weniger als ein Kilo.«
Der Mittelsmann fing an zu rechnen, wir alle fingen an zu
rechnen und kamen mit den vielen Nullen leicht durcheinander. Der Mittelsmann
kritzelte die Zahlen auf einen Block Papier, den er mitgebracht hatte. »Aus 100
Tonnen macht man also 10 Milliarden US-Dollar«, sagte er schließlich. Der
Berater nickte. »Und wie lange dauert das?« »Die Maschine läuft mit 10.000
Umdrehungen pro Stunde, in einer Stunde druckt man also 100.000 Banknoten. »Man
produziert also in wenigen Tagen aus 100 Tonnen 10 Milliarden-US-Dollar?«,
fasste ich das Gehörte ungläubig zusammen. »Wenn Sie kein Geizhals sind und
ordentliche Maschinen kaufen, dann sehen Sie nachher keinen Unterschied. Mit
einer Investition von 10 Millionen etwa«, antwortete der Berater. Der
Mittelsmann und ich schauten uns staunend an. Das waren Gewinnmargen, die den
Drogenhandel in den Schatten stellten. Ich fragte mich, welchen Tagessatz der
Berater wohl ansetzte, aber ihn zu fragen, erschien mir zu indiskret. Ich wollte
nicht, dass meine Informationsquelle versiegte.
Der
Berater erzählte, dass ihn ein Kunde, der originale Druckbögen hatte, einmal um
Hilfe gebeten habe. Ein Lastwagen war auf dem Weg zu einer Notendruckerei
mitsamt der Ladung gestohlen worden. »Die Bögen hatten einen Barcode am unteren
Rand und das Herstellungsdatum des Papiers war angegeben, irgendwann im Jahr
2006.« Seitdem stünden der ’ndrangheta 22 Tonnen Papier zur Verfügung. Ein Clan
habe das Papier gestohlen und Papierproben an andere Clans gegeben. »Ich kam
einmal in eine Halle, da stand eine Palette, kniehoch mit Kisten mit Druckbögen
befüllt.« Es seien Bögen für Scheine von 5 bis 100 Euro gewesen.
Ich kann
über den Berater nicht allzu viele Details verraten, denn Diskretion ist in
seinem Business wichtig. Er kommt schließlich darauf zu sprechen, dass er wegen
einer Sache mit der DIA in Kontakt geraten sei. Zwei junge Männer hätten ihn
besucht, sagte der Berater. Auch in Deutschland sei er vernommen worden, in
Stuttgart. Dort habe er mit zwei Beamten vom LKA gesprochen: zuerst ein kleiner,
der hieße Carlo oder so, dann ein größerer mit grauen Haaren. Ein Protokoll
seiner Aussage auf Italienisch liegt mir vor, eine Übersetzung aus dem
Deutschen.
Der
Berater erzählte mir auch, was er den Beamten vom LKA berichtet habe: Er sei
mehrmals in Parma in einer Halle im Industriegebiet gewesen, wo außer einer
großen Bogenoffset-Maschine, einem Plattenbelichter und einem Tiegel sowie einer
Schneidemaschine nicht viel mehr Gerätschaften herumstanden. Im Dunkeln hätte
ihn sein Auftraggeber hingebracht. Druckplatten seien nicht in der Maschine
gewesen, er habe auch kein Geld gesehen, aber anhand der Farben in der Maschine
zweifelsfrei erkannt, um was es gehe: um Falschgeld. Für die Herstellung von
Banknoten würden Farben nämlich nicht aus den Grundfarben gemischt, sondern
eigene Farben verwendet. »Das war keine Farbkombination, um Prospekte zu
drucken!« Er habe seinem Auftraggeber erklärt, dass er die Halle klimatisieren
müsse, um bessere Ergebnisse zu erzielen. »Ich habe denen auch angeboten,
Druckvorlagen zu besorgen, separiert nach Originalfarbe. Aber das hätte seinen
entsprechenden Preis.« Dies und weitere Details berichtete er der deutschen
Polizei. »Wissen Sie, was danach mit Ihrer Aussage passiert ist?«, fragte ich.
»Gar nichts«, sagte der Berater. »Haben Sie nachgefragt?« Das sei ja in Italien
und so weit weg. Wenn da was Größeres wäre, könnte man schon einen Einsatz
machen, mit den Italienern zusammenarbeiten. Den richtigen Namen von Carlo, der
zunächst mit ihm gesprochen habe, kenne er nicht. »Der war kleiner und der war
gut und sympathisch. Der hat mich aber an seinen Kollegen abgeschoben und der
war eine Vollpfeife.« Man hätte dem Vorwurf doch nachgehen müssen, wenn jemand
im großen Stil Falschgeld drucken wolle, sagte ich. Wer für die Polizei und die
Staatsanwaltschaft arbeite, müsse Hinweise auf Straftaten bearbeiten, erst
recht, wenn es sich um so gravierende handele! Der Berater nickte. »Dieser
kleine da, der war schon ganz engagiert, aber ich glaube, der hat Druck von oben
bekommen oder von irgendwo. Und deswegen hat er mich an seinen Kollegen
abgeschoben, meiner Meinung nach. Dem Kleinen hatte ich sogar angeboten, mit ihm
nach Italien zu fahren. Der andere … Ich sehe es doch im Gesicht, wenn ich mit
den Leuten spreche. Der schaute, als hätte ich ihm Drogen angeboten. Ich sagte
ihm, hier, dem Fall kannst du mal nachgehen, eine Kontrolle machen. ›Ja, hm, ich
weiß auch nicht.‹«
In
meinen Unterlagen befinden sich auch Bilder von Stuttgarter Mafiosi. Ich hatte
die Aufnahmen im Lauf unseres Gesprächs irgendwann herausgeholt und vor uns auf
den Tisch gelegt. Routinemäßig, vielleicht waren meine Gegenüber ja dem einen
oder anderen schon mal begegnet. »Den kenne ich von irgendwoher«, sagte der
Berater tatsächlich und deutete auf das Blatt. Das Bild zeigte Andrea Firamidi,
den Betreiber jenes bereits genannten Inter-Fanclubs in der Nähe von Stuttgart,
von wo aus die ’ndrangheta den Kauf von Stimmen organisiert hatte, um einen
italienischen Politiker ins EU-Parlament zu bringen. Quellen sagten mir später,
dass sein Handy von der Polizei in Parma geortet worden sei. Ging es im Gespräch
um seinen Auftraggeber, tippte er immer wieder auf ein Bild in der Mitte des
Blattes. Es zeigt einen freundlich dreinschauenden Mann, einen feinen Schal um
seinen Hals. Sein Name: Mario Luttini.
Wurden
beim LKA Stuttgart also Hinweise auf schwerste Straftaten nicht weiterverfolgt,
Hinweise, denen zufolge Mario Luttini direkt involviert war? Das LKA Stuttgart
teilt dazu mit: »Wir haben die Fragestellung eingehend geprüft. Der geschilderte
Sachverhalt ist dem LKA BW gänzlich unbekannt. Insofern kann der Hinweis auf
eine Falschgelddruckerei in Parma von vor etwa zehn Jahren durch das LKA BW
nicht nachvollzogen werden.«
Am 24. Januar 2014 war in
Deutschland eine Frau vernommen worden, über die später von Journalisten von
Correctiv als »Kronzeugin Maria G.« berichtet worden ist. Sie
erzählte über einen Fanclub von Inter Mailand in Fellbach bei Stuttgart. Der
Club werde verwaltet von Tonino Pianta und Andrea Firamidi und es träfen sich
dort Leute der Organisierten Kriminalität. Es komme Falschgeld an, ihr Schwager
habe es selbst gesehen, denn Pianta betreibe neben dem Interclub auch einen
Fischladen, der auch Mandarinen importiere. Er habe beim Ausladen geholfen, das
Falschgeld sei mit den Obstkisten gekommen. Ihre Schwester habe ihr gesagt, das
Falschgeld komme aus einer Druckerei nach Deutschland, die sich in Mandatoriccio
befinde, im Heimatort von Mario Luttini, und von diesem betrieben werde.
06.05.2024 - Der Berater
Anders als in ihrem Herkunftsland töten die Clans der italienischen Mafia hierzulande nur selten. Sie bleiben nahezu unsichtbar. Ihre Waffe ist Geld, ihr Ziel die gesellschaftlichen Institutionen. Gerade deswegen bilden sie ein immenses Risiko für ganz Europa, zeigt der Journalist Sandro Mattioli in seinem neuen Buch „Germafia. Wie die Mafia Deutschland übernimmt“. Mattioli hat sich vor vielen Jahren auf den Weg gemacht, um die große Gefahr zu ergründen, die von Mafiaclans in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgeht. Aus zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen, Mafia-Aussteigern, Polizisten und Staatsanwälten weiß der Journalist und Mafia-Experte, dass die Mafiosi das „ahnungslose Deutschland“ als ihre Beute sehen und längst begonnen haben, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gezielt zu unterwandern. Ein Auszug.
Der Berater kam mit dem Mittelsmann zur Tür herein. Er trug einen Anzug von Hugo Boss, das war schnell zu erkennen. Der Berater schüttelte mir die Hand, ich begrüßte auch den Mittelsmann und wir setzten uns an den massiven Holztisch in der Mitte des Besprechungszimmers. Er schaute mich erwartungsvoll an, mit offenem Blick. Ich war verwundert, hatte ich doch erwartet, zunächst Argwohn zu begegnen oder Skepsis. Ich brauchte nicht lange, den Berater zu überzeugen, etwas Small Talk, und schon waren wir beim Thema. Der Berater fühlte sich offensichtlich wohl, lehnte sich entspannt zurück, redete frei von der Leber weg. Er werde gerufen, wenn es Probleme gebe, wenn seine Expertise benötigt werde. Er hatte eine Ausbildung im Druckbereich gemacht und sich dann spezialisiert. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, wie kompetent er war, und wenn jemand Bedarf hatte, fand er einen Weg, den Berater zu kontaktieren. Der Berater stand nicht einfach im Telefonbuch oder in Firmenverzeichnissen, dazu war seine Kundschaft zu speziell. Aber wer wollte, bekam seine Telefonnummer, irgendwoher. Und dann klingelte das Telefon des Beraters, ob er nach Mailand kommen könne oder Rom oder wohin auch immer.
Nach einiger Zeit zog ich mein Portemonnaie aus der Tasche und legte einen Fünfzig-Euro-Schein auf den Tisch. »Woran würde man erkennen, wenn dieser Schein nicht echt wäre?« Der Berater zog den Schein durch die Finger, legte ihn auf den Tisch und strich ihn flach. Dann erklärte er mir, wann welche Farbschicht aufgetragen würde, dass manche das Wasserzeichen mit Fett oder einem Öl in das Papier brächten, dass das aber nicht professionell sei. Auch wenn er eine spezielle Kundschaft hatte: Professionell zu arbeiten war für den Berater das A und O. Bei den alten Zwanzigern sei unter dem Perlglanzstreifen keine Farbe gewesen, bei den neuen Zwanzig-Euro-Scheinen dagegen schon. Ich hatte Geld noch nie so betrachtet. Wie es hergestellt wurde, welche Arbeitsschritte nötig waren. Der Berater startete einen wohlstrukturierten Monolog, nach 15 Minuten hatte ich das Gefühl, bestens informiert zu sein. »Das Papier bekommen Sie in China, aber die Mindestbestellmenge sind hundert Tonnen«, sagte er. »Damals, als ich dort war, kostete das Papier 80.000 Euro.« Auch der Mittelsmann hörte interessiert zu. »Wie viele Scheine kann man daraus dann machen?«, fragte er. »1000 Hundert-Dollar-Scheine wiegen etwas weniger als ein Kilo.«
Der Mittelsmann fing an zu rechnen, wir alle fingen an zu rechnen und kamen mit den vielen Nullen leicht durcheinander. Der Mittelsmann kritzelte die Zahlen auf einen Block Papier, den er mitgebracht hatte. »Aus 100 Tonnen macht man also 10 Milliarden US-Dollar«, sagte er schließlich. Der Berater nickte. »Und wie lange dauert das?« »Die Maschine läuft mit 10.000 Umdrehungen pro Stunde, in einer Stunde druckt man also 100.000 Banknoten. »Man produziert also in wenigen Tagen aus 100 Tonnen 10 Milliarden-US-Dollar?«, fasste ich das Gehörte ungläubig zusammen. »Wenn Sie kein Geizhals sind und ordentliche Maschinen kaufen, dann sehen Sie nachher keinen Unterschied. Mit einer Investition von 10 Millionen etwa«, antwortete der Berater. Der Mittelsmann und ich schauten uns staunend an. Das waren Gewinnmargen, die den Drogenhandel in den Schatten stellten. Ich fragte mich, welchen Tagessatz der Berater wohl ansetzte, aber ihn zu fragen, erschien mir zu indiskret. Ich wollte nicht, dass meine Informationsquelle versiegte.
Der Berater erzählte, dass ihn ein Kunde, der originale Druckbögen hatte, einmal um Hilfe gebeten habe. Ein Lastwagen war auf dem Weg zu einer Notendruckerei mitsamt der Ladung gestohlen worden. »Die Bögen hatten einen Barcode am unteren Rand und das Herstellungsdatum des Papiers war angegeben, irgendwann im Jahr 2006.« Seitdem stünden der ’ndrangheta 22 Tonnen Papier zur Verfügung. Ein Clan habe das Papier gestohlen und Papierproben an andere Clans gegeben. »Ich kam einmal in eine Halle, da stand eine Palette, kniehoch mit Kisten mit Druckbögen befüllt.« Es seien Bögen für Scheine von 5 bis 100 Euro gewesen.
Ich kann über den Berater nicht allzu viele Details verraten, denn Diskretion ist in seinem Business wichtig. Er kommt schließlich darauf zu sprechen, dass er wegen einer Sache mit der DIA in Kontakt geraten sei. Zwei junge Männer hätten ihn besucht, sagte der Berater. Auch in Deutschland sei er vernommen worden, in Stuttgart. Dort habe er mit zwei Beamten vom LKA gesprochen: zuerst ein kleiner, der hieße Carlo oder so, dann ein größerer mit grauen Haaren. Ein Protokoll seiner Aussage auf Italienisch liegt mir vor, eine Übersetzung aus dem Deutschen.
Der Berater erzählte mir auch, was er den Beamten vom LKA berichtet habe: Er sei mehrmals in Parma in einer Halle im Industriegebiet gewesen, wo außer einer großen Bogenoffset-Maschine, einem Plattenbelichter und einem Tiegel sowie einer Schneidemaschine nicht viel mehr Gerätschaften herumstanden. Im Dunkeln hätte ihn sein Auftraggeber hingebracht. Druckplatten seien nicht in der Maschine gewesen, er habe auch kein Geld gesehen, aber anhand der Farben in der Maschine zweifelsfrei erkannt, um was es gehe: um Falschgeld. Für die Herstellung von Banknoten würden Farben nämlich nicht aus den Grundfarben gemischt, sondern eigene Farben verwendet. »Das war keine Farbkombination, um Prospekte zu drucken!« Er habe seinem Auftraggeber erklärt, dass er die Halle klimatisieren müsse, um bessere Ergebnisse zu erzielen. »Ich habe denen auch angeboten, Druckvorlagen zu besorgen, separiert nach Originalfarbe. Aber das hätte seinen entsprechenden Preis.« Dies und weitere Details berichtete er der deutschen Polizei. »Wissen Sie, was danach mit Ihrer Aussage passiert ist?«, fragte ich. »Gar nichts«, sagte der Berater. »Haben Sie nachgefragt?« Das sei ja in Italien und so weit weg. Wenn da was Größeres wäre, könnte man schon einen Einsatz machen, mit den Italienern zusammenarbeiten. Den richtigen Namen von Carlo, der zunächst mit ihm gesprochen habe, kenne er nicht. »Der war kleiner und der war gut und sympathisch. Der hat mich aber an seinen Kollegen abgeschoben und der war eine Vollpfeife.« Man hätte dem Vorwurf doch nachgehen müssen, wenn jemand im großen Stil Falschgeld drucken wolle, sagte ich. Wer für die Polizei und die Staatsanwaltschaft arbeite, müsse Hinweise auf Straftaten bearbeiten, erst recht, wenn es sich um so gravierende handele! Der Berater nickte. »Dieser kleine da, der war schon ganz engagiert, aber ich glaube, der hat Druck von oben bekommen oder von irgendwo. Und deswegen hat er mich an seinen Kollegen abgeschoben, meiner Meinung nach. Dem Kleinen hatte ich sogar angeboten, mit ihm nach Italien zu fahren. Der andere … Ich sehe es doch im Gesicht, wenn ich mit den Leuten spreche. Der schaute, als hätte ich ihm Drogen angeboten. Ich sagte ihm, hier, dem Fall kannst du mal nachgehen, eine Kontrolle machen. ›Ja, hm, ich weiß auch nicht.‹«
In meinen Unterlagen befinden sich auch Bilder von Stuttgarter Mafiosi. Ich hatte die Aufnahmen im Lauf unseres Gesprächs irgendwann herausgeholt und vor uns auf den Tisch gelegt. Routinemäßig, vielleicht waren meine Gegenüber ja dem einen oder anderen schon mal begegnet. »Den kenne ich von irgendwoher«, sagte der Berater tatsächlich und deutete auf das Blatt. Das Bild zeigte Andrea Firamidi, den Betreiber jenes bereits genannten Inter-Fanclubs in der Nähe von Stuttgart, von wo aus die ’ndrangheta den Kauf von Stimmen organisiert hatte, um einen italienischen Politiker ins EU-Parlament zu bringen. Quellen sagten mir später, dass sein Handy von der Polizei in Parma geortet worden sei. Ging es im Gespräch um seinen Auftraggeber, tippte er immer wieder auf ein Bild in der Mitte des Blattes. Es zeigt einen freundlich dreinschauenden Mann, einen feinen Schal um seinen Hals. Sein Name: Mario Luttini.
Wurden beim LKA Stuttgart also Hinweise auf schwerste Straftaten nicht weiterverfolgt, Hinweise, denen zufolge Mario Luttini direkt involviert war? Das LKA Stuttgart teilt dazu mit: »Wir haben die Fragestellung eingehend geprüft. Der geschilderte Sachverhalt ist dem LKA BW gänzlich unbekannt. Insofern kann der Hinweis auf eine Falschgelddruckerei in Parma von vor etwa zehn Jahren durch das LKA BW nicht nachvollzogen werden.«
Am 24. Januar 2014 war in Deutschland eine Frau vernommen worden, über die später von Journalisten von Correctiv als »Kronzeugin Maria G.« berichtet worden ist. Sie erzählte über einen Fanclub von Inter Mailand in Fellbach bei Stuttgart. Der Club werde verwaltet von Tonino Pianta und Andrea Firamidi und es träfen sich dort Leute der Organisierten Kriminalität. Es komme Falschgeld an, ihr Schwager habe es selbst gesehen, denn Pianta betreibe neben dem Interclub auch einen Fischladen, der auch Mandarinen importiere. Er habe beim Ausladen geholfen, das Falschgeld sei mit den Obstkisten gekommen. Ihre Schwester habe ihr gesagt, das Falschgeld komme aus einer Druckerei nach Deutschland, die sich in Mandatoriccio befinde, im Heimatort von Mario Luttini, und von diesem betrieben werde.Autoren von "Der Berater"
Bücher von Sandro Mattioli